taz.de -- Ägypten auf Reformkurs: Ein unbequemer Richter
Mit Mahmud Mekki ernennt die ägyptische Regierung einen angesehnen Gegner Mubaraks zum Vizepräsidenten. Er ist die Symbolfigur des Wandels.
Es war nicht das erste Mal, als 2011 Menschen am Nil gegen das Regime von Husni Mubarak aufbegehrten. Unbequem waren einige Ägypter schon lange. Einer von ihnen ist nun Vizepräsident.
Am Sonntag berief Präsident Mohammed Mursi den hochrangigen Richter Mahmud Mekki zu seinem Stellvertreter. Einen Namen hat sich Mekki mit seinem längjährigen Kampf für die Unabhängigkeit der Justiz gemacht. In den Jahren 2005/06 hatte der Konflikt zwischen den Richtern und Mubaraks Exekutive einen Höhepunkt erreicht – ein Konflikt, aus dem Mekki als Symbolfigur der ägyptischen Reformbewegung hervorgehen sollte.
Für das zweite Halbjahr 2005 waren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant. Von innen und außen wurden Forderungen nach Demokratisierung laut. Als Vorsitzender der Wahlbeobachtungskommission setzte sich auch Mekki für freie Wahlen ein. Zudem forderte er eine Verfassungsänderung, um zu erreichen, dass mehrere Kandidaten im Wettkampf um das Präsidentenamt antreten.
Doch auf die Wahlen folgte Enttäuschung. Als klar wurde, dass sich nichts ändern würde, zogen die Menschen in wöchentlichen Demonstrationen durch die Straßen der Innenstadt Kairos. Auch Mekki gab sich nicht zufrieden: Massiver Wahlbetrug habe zum Sieg Mubaraks und seiner Partei geführt, kritisierte er öffentlich.
Diese Einmischung in die Politik – so der Vorwurf – ging dem Regime aber zu weit: Die Amtsenthebung folgte. Und ein Disziplinarverfahren am Obersten Gerichtshof. Das jedoch war nur eine weitere Etappe auf Mekkis Weg, zu einer Symbolfigur eines demokratischen Wandels zu werden: Die Reformbewegung Kifaya erklärte sich solidarisch mit Mekki; auch die damals oppositionelle Muslimbruderschaft stellte sich hinter den Richter. Das Regime reagierte mit Freispruch.
Seit Sonntag darf sich Mekki ganz offiziell in die Politik einmischen. Das ist neu: Er begann seine Karriere in einer Sondereinheit der Polizei, wechselte nach einem Jurastudium zur Staatsanwaltschaft und arbeitete sich zum Vizepräsidenten des Kassationsgerichts hoch. 2012 soll er Medienberichten zufolge ein Angebot der Muslimbruderschaft abgelehnt haben, für sie als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Mekki ist Sunnit und verfügt über gute Kontakte zu den Islamisten. Sein älterer Bruder Ahmed ist seit Anfang August Justizminister Ägyptens.
13 Aug 2012
AUTOREN
ARTIKEL ZUM THEMA
Die ägyptische Justiz erlaubt die Kandidatur von ehemaligen Mubarak Anhängern. Jeder Bürger habe das Recht sich für die Parlamentswahlen aufstellen zu lassen.
Ägyptische Frauen sind die Verliererinnen und die Gewinnerinnen der Revolution zugleich. Das ist ein Widerspruch? So ist es nun einmal.
Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi fährt einem Richter in die Parade, der einen Kritiker des Präsidenten inhaftiert hatte. Ein Signal für die Freiheit der Presse.
Viele Liberale in Ägypten machen es sich zu einfach. Sie schimpfen auf die Islamisten, auf die Armen und über den Verkehr. Und was ist mit der Demokratie?
Die alten ägyptischen Generäle sind entmachtet. Präsident Mursi hat sie elegant weggelobt, das Militär gespalten und sich so eine enorme Machtfülle erobert.
Der ägyptische Staatschef Mursi hat zwei einflussreiche Offiziere in den Ruhestand versetzt, die Macht des Militärrats beschnitten und einen liberalen Vizepräsidenten ernannt.
Ägyptens Präsident Mohammed Mursi hat am Sonntag seinen Verteidigungsminister Tantawi entlassen. Tantawi leitete zuvor den Militärrat und war schon unter Mubarak Minister.
Ägypten hat eine neue Regierung. In ihr sind nur wenige Muslimbrüder vertreten. Dass der Chef des Militärrats im Kabinett bleibt, verärgert liberale Aktivisten.
Drei Muslimbrüder, eine Koptin, keine Salafisten – die neue Regierung wird der politischen Realität Ägyptens gerecht. Und ins Ausland signalisiert sie Stabilität.