taz.de -- Naturschutzgebiet bleibt verschont: Ölfrachter im Wattenmeer gestrandet
Der Tankerhafen sei eine tickende Zeitbombe für das Ökosystem Wattenmeer, warnen Umweltschützer. Vor einer Vogelschutzinsel lief ein Schiff auf Grund, Öl ist nicht ausgeflossen.
WILHLEMSHAVEN/CUXHAVEN dpa/dapd | Ein mit 87.000 Tonnen Rohöl beladener Tanker ist in der Nacht zum Dienstag in der Nähe einer Vogelschutzinsel in der Nordsee auf Grund gelaufen.
Nach fünf Stunden konnte die „Katja“ am frühen Morgen bei steigendem Wasserstand und mit Hilfe mehrerer Schlepper die Fahrt im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wieder fortsetzen, teilte das Havariekommando Cuxhaven mit. Ersten Ermittlungen zufolge könnte nach Angaben der Wasserschutzpolizei ein Navigationsfehler der Grund für den Unfall sein. „Technische Mängel sind auszuschließen“, sagte ein Sprecher am Abend.
Der unter der Flagge der Bahamas fahrende Tanker überstand die Havarie vor der unbewohnten Insel Minsener Oog östlich von Wangerooge ohne Schäden. Öl trat nach Angaben des Havariekommandos nicht aus. Unterdessen leitete die Wasserschutzpolizei Ermittlungen ein.
Das in England gestartete, 232 Meter lange Schiff wurde sicherheitshalber von zwei Schleppern zum Zielhafen Wilhelmshaven begleitet. Dort sollte auch die Ladung gelöscht werden. Im Dock soll es auf mögliche Schäden untersucht werden.
Umweltschutzverbände äußerten sich besorgt. „Der deutsche Tankerhafen Wilhelmshaven ist eine tickende Zeitbombe für den Nationalpark Wattenmeer, wie sich bei diesem Vorfall gezeigt hat“, sagte WWF-Wattenmeerexperte Hans-Ulrich Rösner.
Günstige Witterungsbedingungen
Es habe sich um eine ernste Situation gehandelt. Das Abschleppmanöver hätte unter anderen Wetterbedingungen schief gehen können, meinte Rösner. „Eine Havarie mit austretendem Öl hätte hier eine ökologische Katastrophe ausgelöst“, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Als Konsequenzen aus dem Vorfall forderte die Umweltschutzorganisation eine Lotsenpflicht in gefährlichen Passagen und die Einführung einer lückenlosen Überwachung der Schifffahrt über automatisierte Systeme.
Eine Überprüfung des Schutzkonzeptes an der Nordseeküste forderte der umweltpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Hannover, Gero Hocker. Dazu zähle auch die Frage, ob das Havariekommando bei komplexeren Schadenslagen personell und technisch ausreichend ausgestattet sei.
15 Aug 2012
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Wie viel Sport verträgt das Wattenmeer? In Kiel verhandeln Kitesurfer und Umweltminister Robert Habeck über eine Lösung für Natur und Freizeitspaß.
Die Lotsenpflicht auf der Ostsee ist völkerrechtlich nicht durchzusetzen, auch nicht für besonders gefährliche Gebiete. Damit steigt die Gefahr von Ölunfällen.
Bisher hießen die deutschen Seehäfen Hamburg und Bremen. Nun kommt Wilhelmshaven in Niedersachsen für neue Containerschiffe dazu.
Royal Dutch Shell will bald mit der Ölförderung in der Arktis beginnen. Die USA hat nichts dagegen, Umweltschützer versuchen mit allen Mitteln, das Projekt zu verhindern.
Forschungen zeigen, die Nordsee und ihre Strände sind mit Plastik und Mikroplastik verseucht. Im Weltnaturerbe Wattenmeer polstern Löffler ihre Nester mit Müll, Vogelmägen sind voll davon.
Das Urteil im Prozess um die Havarie des Tankers „Erika“ droht kassiert zu werden. Mit juristischen Kniffen könnte der Ölkonzern Total ungeschoren davonkommen.
Vor zwei Jahren explodierte die Ölplattform Deepwater Horizon. Jorey Danos entgiftete das Meer und vergiftete dabei sich selbst. Ob er entschädigt wird, ist fraglich.
RWE Dea hat beantragt, im Nationalpark nach Erdöl zu bohren. Ausgerechnet dort wird mehr als die Hälfte der deutschen Reserven vermutet.