taz.de -- Kommentar Deutsch-französische Beziehungen: Schwieriger und unverzichtbarer Partner

François Hollande wird bei Angela Merkel auch in eigener Sache plädieren. Die Franzosen müssen 2013 zum Defizitabbau 33 Milliarden Euro einsparen.

Aus Athener Sicht hat sich François Hollande die Rolle des netten und verständnisvollen Partners ausgesucht. Und Angela Merkel, die den französischen Präsidenten heute in Berlin zu Diskussionen über den Griechenland-Hilfsplan empfängt, bleibt die unnachgiebige Eiserne Lady.

Richtig ärgerlich für die deutsche Bundeskanzlerin ist aber, dass der französische Präsident auch immer wieder Spannungen in der deutschen Innenpolitik zu seinen Gunsten taktisch auszunutzen versucht – ein deutlicher Unterschied zu Amtsvorgänger Sarkozy.

Für Merkel ist er daher ein schwieriger, aber dennoch unverzichtbarer Partner, der auf seinen Differenzen besteht. Doch wie nachsichtig will und kann Hollande den Griechen gegenüber sein bei seinem Besuch in Berlin? Offiziell unterstützt er im Unterschied zur deutschen Bundesregierung die Forderung aus Athen nach einer Fristverlängerung für die Sanierung der griechischen Finanzen um zwei Jahre auf 2016.

Gastgeberin Merkel will vermeiden, dass solche Divergenzen an die große Glocke gehängt werden. Hollande besteht dagegen auf einer öffentlichen Verteidigung dieser Unterschiede – auch auf das Risiko hin, dass man ihm vorwirft, wie unharmonisch derzeit das deutsch-französische EU-Duo funktioniert. Dies nimmt er in Kauf, um neben Merkel eine eigenständige Rolle spielen zu können.

Auch seine Solidarität mit Athen hat indes Grenzen. Frankreichs Wirtschaft stagniert, und die Staatsführung muss für 2013 mindestens 33 Milliarden Euro (wahrscheinlich viel mehr) einsparen, um den vereinbarten Fahrplan zum Abbau des Defizits einhalten zu können. Hollande, so scheint es, plädiert daher mit dem Wunsch nach längeren Fristen für den Schuldenabbau auch in eigener Sache.

Für die unter dem Troika-Diktat ächzenden Griechen müsse „das Licht am Ende des Tunnels“ sichtbar werden, sagt Hollande. Das wünscht er sich auch für seine eigenen Landsleute. Aber sie müssten sich gedulden, bis die ersten Ergebnisse der französischen Krisenpolitik sichtbar werden.

23 Aug 2012

AUTOREN

Rudolf Balmer

TAGS

Elsass

ARTIKEL ZUM THEMA

Deutsch-französische Freundschaft: „Die Toilette Europas“

Den Franzosen erscheint es deutsch, den Deutschen französisch: Das Elsass. Viele Bewohner sehen ihre doppelte Kultur heute positiv.

Hollande im Fernsehinterview: Patriotismus und Versprechen

François Hollandes steht von links und rechts in der Kritik. Im französischen Fernsehen hat er sich am Sonntag zu erklären versucht.

Krise in Griechenland: Philipp Rösler hat keine Zeit

Deutsche Politiker diskutieren heftig über den Umgang mit Griechenland. Während FDP-Minister Rösler eine zeitliche Streckung der Reformen ablehnt, ist die SPD dafür.

Krise in Griechenland: Mehr Zeit, nicht mehr Geld

Der griechische Regierungschef Samaras fordert ein wenig „Luft zum Atmen“, um die Reformen umsetzen zu können. Nun stehen Gespräche mit Juncker und Merkel an.

Debatte um Hilfspaket und Zinsnachlass: Neues Loch im griechischen Haushalt

In zwei Jahren sollen nicht 11,5 Milliarden Euro im Staatshaushalt der Griechen fehlen, sondern bis zu 14 Milliarden. Über ein drittes Hilfspaket wird debattiert.

Kommentar Finanzsteuer in Frankreich: Nächster Treffer versenkt

Hollande geht mit gutem Beispiel voran und holt das Geld dort, wo es reichlich fließt. Doch nun müssen auch alle anderen mitmachen, sonst wird die Abgabe zum Nachteil für das Land.