taz.de -- Mexikos Kartellboss Joaquín Guzmán: Kühl, gewieft und wendig

Unter einem Stapel Schmutzwäsche versteckt verließ Guzmán 2001 die Haftanstalt. Die US-Regierung zählt ihn zu den zehn meistgesuchten Verbrechern.
Bild: „Der Winzling“ Joaquín Guzmán.

SAN SALVADOR taz | El Chapo, der Spitzname von Joaquín Guzmán, bedeutet so viel wie „der Kurze“ oder „der Winzling“ und bezieht sich auf seine Körpergröße von gerade einmal 1,68 Meter. In Mexiko leiten sich viele Spitznamen nicht eben liebevoll von körperlichen Eigenarten ab, und angeblich leidet El Chapo unter seiner Statur.

Sein Geburtstag ist nicht sicher: Es gibt Quellen, die den 25. Dezember 1955 nennen; andere behaupten, es sei der 4. April 1957. Geboren wurde er auf einer Ranch in der Nähe von Culihuacán im Bundesstaat Sinaloa, hatte vermutlich sechs Geschwister und einen Vater, der ein kleiner Viehzüchter war und eventuell auch ein bisschen Schlafmohn anbaute. Über ihn soll Joaquín ins Drogengeschäft geraten sein.

Weil er ein kühler Denker und Stratege ist – unter anderem soll er hervorragend Schach spielen –, stieg er in diesem Geschäft schnell auf. Anfang der 1980er Jahre wurde er Logistikchef des Sinaloa-Kartells, und spätestens seit Ende der 1990er Jahre leitet er das Kartell gemeinsam mit Ismael Zambada, dem heute 64 Jahre alten Senior unter den Drogenbossen.

Amphetamin-Pionier

Guzmán war einer der Ersten, die Amphetamine für die Kartelle entdeckten. Das Geschäft mit synthetischen Drogen ist viel rentabler als das mit Kokain: Man muss keine kolumbianischen Produzenten bezahlen, sondern nur billige chemische Rohstoffe importieren und ein paar Labore aufbauen.

Im traditionellen Geschäft denkt El Chapo längst regional. Schon Anfang der 1990er Jahre entdeckte er das ruhige Hinterland von Guatemala als Zwischenspeicher für die aus Kolumbien kommende Ware. Dort bewegte er sich so sorglos, dass er am 9. Juni 1993 festgenommen wurde. Die Behörden lieferten ihn nach Mexiko aus, wo er zu 20 Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurde.

Am 19. Januar 2001 gelang ihm die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis: Ein Wärter öffnete seine elektronisch gesicherte Zellentür. Unter einem Stapel Schmutzwäsche versteckt verließ Guzmán die Haftanstalt. Angeblich hat ihn das 2,5 Millionen Dollar gekostet.

Seither wechselt er ständig die Allianzen und machte so das Sinaloa-Kartell zum mächtigsten in Mexiko. Sein Privatvermögen wird von der Zeitschrift Forbes auf gut eine Milliarde Dollar geschätzt. Die Zeitschrift Time rechnet ihn zu den 50 einflussreichsten Männern der Welt. Die US-Regierung zählt ihn zu den zehn meistgesuchten Verbrechern. Vor ihm auf der Liste stand lange nur Osama bin Laden.

29 Aug 2012

AUTOREN

Keppeler
Romero

TAGS

Mexiko
Mexiko

ARTIKEL ZUM THEMA

Joaquín „El Chapo“ Guzmán: Mexikanischer Drogenboss tot?

Der meistgesuchte Drogenboss Mexikos ist womöglich bei einer Schießerei getötet worden. Die Polizei prüft, ob es sich wirklich um Joaquín „El Chapo“ Guzmán handelt.

Massenausbruch in Mexiko: Tote bei Gefängnisrevolte

Bei dem Versuch, durch Tunnel und über eine Mauer aus einem Gefängnis in Mexiko zu fliehen, sind 17 Menschen gestorben. Der Knast ist für Gewaltausbrüche berüchtigt.

Entzugserscheinungen entschlüsselt: Antriebslos durch Kokainmangel

Der sogenannte „Cannabinoid-Rezeptor 1“ ist schuld. US-Forscher haben die Funktionsweise von Kokainkonsum und -entzug im Vorderhirn entdeckt.

Mexikanisches Golf-Kartell: Drogenboss geschnappt

Das mexikanische Militär hat den Chef eines berüchtigten Drogenkartells festgenommen. Rivalisierende Clans liefern sich seit Jahren einen Drogenkrieg.

Geheimprojekt des Pentagon: Killerkommandos gegen Drogenbosse

Waffen statt Entwicklungspolitik: Im Kampf gegen Drogen aus Mittelamerika setzen die USA auf Soldaten und Drohnen. Damit treffen sie oft die Falschen.