taz.de -- Finanzierung der Energiewende: Munition gegen Windmühlen

Die FDP schlägt ein Moratorium für erneuerbare Energien vor. Und fordert eine neue Sonderabgabe der Branche für den Netzausbau.
Bild: Die Energiewende ist teuer, deshalb fordert die FDP eine Sonderabgabe für die Unternehmen.

BERLIN taz | Für die Unternehmen der erneuerbaren Energien ist es ein Papier des Grauens: In einem für den Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle erstellten Vorschlag fordert die FDP einen Stopp des Ausbaus erneuerbarer Energien. Brüderle sucht in dem Papier nach Möglichkeiten, den Bau neuer Anlagen einzuschränken oder zu stoppen.

Weil das grundsätzlich nur mit Zustimmung der Bundesländer möglich wäre, was als sehr unwahrscheinlich gilt, sucht die FDP andere Möglichkeiten durch die Hintertür. Den Liberalen schwebt vor, ein „nationales Sondervermögen Energiewende“ einzurichten, mit dem der Ausbau der Stromnetze für die Energiewende finanziert werden soll.

Die Betreiber von Windkraftanlagen, Biogasanlagen oder Solarfeldern sollen sich über eine Sonderabgabe daran beteiligen – die Kosten könnten de facto zu einem Stopp des Ausbaus erneuerbarer Energien führen.

Die Branche reagiert entsetzt – und mit Spott: „Die FDP will weder den Regierungsbeschluss zur Energiewende länger mittragen noch für eine auf Dauer umweltschonende und bezahlbare Energieversorgung sorgen“, sagte der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbarer Energien, Dietmar Schütz, der taz. Die FDP wolle den Erfolg der Erneuerbaren stoppen und den Betreibern von Kohle- und Atomkraftwerken mehr Zeit verschaffen. „Die FDP sollte sich jetzt dringend ein Moratorium für neue Vorschläge zur Energiepolitik verordnen“, sagte Schütz.

Auch die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) bezeichnete die Überlegungen der Fraktion von Rainer Brüderle als absurd. „Damit würde die Wirtschaft in Deutschland und in Rheinland-Pfalz von einem der wichtigsten Innovations- und Zukunftsmärkte abgekoppelt“, sagte Lemke. Sie sprach von einem „staatlich verordneten Wirtschaftsvernichtungsprogramm“ Brüderles. Der Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger, warf Brüderle vor, er wolle mit seinem Vorschlag die Energiewende „zum Abschuss freigeben“. Der CDU/CSU-Koalitionspartner der FDP hält sich mit Reaktionen zurück.

Derzeit wird intensiv über eine Reform des EEG-Gesetzes und eine Neuausrichtung der Förderung erneuerbarer Energien gestritten. Im Herbst wird wahrscheinlich bekannt gegeben, dass die Umlage auf über 5 Cent pro Kilowattstunde steigen wird. Die politischen Akteure munitionieren sich bereits für die anstehende Debatte über die Kosten der Energiewende.

1 Sep 2012

AUTOREN

Ingo Arzt

TAGS

Netzausbau
Ökostrom

ARTIKEL ZUM THEMA

Wissenschaftler über Netzausbau: „Neue Leitungen für Braunkohle“

Es werden mehr Stromtrassen gebaut als nötig, kritisiert der Wissenschaftler Lorenz Jarass. Die Bürgerbeteiligung legitimiert diesen Fehler.

Ausbau des Stromnetzes: Wie viele Kilometer sind nötig?

Um die Energiewende zu schaffen, sind mehr Stromnetze nötig: 4.900 Kilometer Erweiterung sind geplant. Viel zu viel, kritisieren Umweltschutzverbände.

Durchleitungskosten steigen: Verbraucher zahlt Stromnetz

Die Transportkosten für Strom erhöhen sich deutlich. Zusätzlich zur Ökostromabgabe müssen die Verbraucher bis zu 20 Euro jährlich mehr ausgeben.

Forscher fordert EU-Solarkonzern: Nur die Größten überleben

Die Krise der Photovoltaikindustrie nimmt kein Ende. Nun fordert Deutschlands bekanntester Solarforscher, einen europäischen Sonnenkonzern.

Energiewende in Bayern: Viel Wind mit wenig Kraft

Bayern droht beim Ausbau der erneuerbaren Energien mit einem Sonderweg. Man will besser, schneller und freigiebiger sein als die anderen Länder.

FDP-Arbeitspapier zum Ökostrom: Taktieren vor dem Tag X

Angesichts steigender Kosten drohen die Liberalen mit Einschnitten in die Grünstrom-Förderung. Sie locken den Verbraucher mit Steuersenkungen.

Rajoy torpediert saubere Stromerzugung: Spaniens Windkraftbranche stirbt

Die Regierung hat die Windkraftförderung auf Null reduziert. Jetzt werden in Spanien keine Anlagen mehr geplant. 30.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr.

Reaktion auf Kritik am EEG: Umweltverbände keilen zurück

Nabu und der Deutsche Naturschutzring kritisieren die Angriffe auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Doch eigene Reformvorschläge fehlen.

Bund kassiert Öko-Milliarde: Privatpersonen zahlen EEG

Die Ökostromförderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz bringt dem Bund nahezu eine Milliarde Euro. Die Hauptlast trägt der Bürger.

Türkische Atompläne: Kernkraftwerk auf Erdbebenspalte

Die Türkei will ihren Energiehunger mit neuen Meilern stillen. Bis 2023 sollen 23 Reaktoren am Netz sein. Die wenigen AKW-Gegner im Land haben es schwer.

Firmen ohne Ökoumlage: Billiger Strom gratis

734 Firmen müssen den Ökoaufschlag des Erneuerbare Energien-Gesetzes nicht zahlen. Strom kriegen sie natürlich trotzdem. Die taz hat sie dokumentiert.

Chef des Umweltamts über Strompreise: „Jetzt nicht hektisch reagieren“

Neue Regeln für den Industrierabatt beim Ökostrom fordert Jochen Flasbarth. Der Leiter des Umweltbundesamtes möchte mehr Kriterien als den Stromverbrauch.

Debatte Strompreis: Blockieren wie beim Catenaccio

Das Gesetz zu Erneuerbaren Energien ist richtig. Um glaubhaft zu bleiben, muss die Lobby jetzt aber aufhören, sinnlose Subventionen zu nutzen.

Bundesregierung riskiert Handelskrieg: Sonnenbrand im Ministernacken

Beim Staatsbesuch will Peter Altmaier Chinas Solarsubventionen anprangern. Europas Unternehmen werfen dem Land Dumping vor – mit schwachen Argumenten.

Streit um erneuerbare Energie: Öko gegen Öko

Die Energiewende treibt Natur- gegen Klimaschützer. Die Debatte über Windräder und Stromtrassen kann der Umweltbewegung nutzen.