taz.de -- Tribunal gegen Rote Khmer: Nicht mehr verhandlungsfähig

Eine der Hauptangeklagten im Prozess gegen die Schergen des Pol-Pot-Regimes in Kambodscha wird frei gelassen – aus gesundheitlichen Gründen.
Bild: Eine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten ist unwahrscheinlich: die frühere Sozialministerin Ieng Thirith.

PHNOM PENH afp | Das von der UNO unterstützte Tribunal im Rote-Khmer-Prozess in Kambodscha hat die angeklagte Ex-Sozialministerin Ieng Thirith aus gesundheitlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt.

Das Gericht folgte damit am Donnerstag einem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Freilassung aus gesundheitlichen Gründen beantragt hatte. Die Angeklagte sei in „absehbarer Zukunft“ nicht verhandlungsfähig, erklärte das Tribunal. Eine Aussage über „Schuld oder Unschuld“ der Angeklagten sei damit jedoch nicht getroffen. Auch die Anklagepunkte gegen Ieng Thirith würden nicht fallengelassen.

Die 80-jährige Schwägerin des einstigen Schreckensherrschers Pol Pot leidet unter Demenz. Staatsanwalt Tarik Abdulhak hatte Ende August den Antrag zur Freilassung damit begründet, dass sich der Gesundheitszustand der Angeklagten zunehmend verschlechtere und nun das Stadium erreicht habe, wo die „Maßnahmen zur Verbesserung ihrer kognitiven Fähigkeiten erschöpft“ seien. Es sei „unwahrscheinlich“, dass kurz- oder langfristig gegen die 80-Jährige, die einst als „First Lady“ Kambodschas galt, weiter verhandelt werden könne.

Zwei Millionen Tote

Weitere Angeklagte in dem Verfahren sind der einstige Chefideologe Nuon Chea und der frühere Staatschef Khieu Samphan. Sie müssen sich wegen Völkermords, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantworten. Sie weisen in dem Prozess, der vor mehr als einem Jahr mit der Klärung von Verfahrensfragen begann, alle Vorwürfe zurück.

Während der Schreckensherrschaft der maoistischen Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 kamen in Kambodscha rund zwei Millionen Menschen durch Erschöpfung, Hunger, Krankheit, Folter und Hinrichtungen ums Leben. Das waren etwa ein Viertel der damaligen Bevölkerung. Die Roten Khmer wollten einen radikalen Bauernstaat errichten, dazu entvölkerten sie die Städte, schafften das Geld ab und sagten Intellektuellen den Kampf an.

Nach langen Verhandlungen zwischen der UNO und der Regierung in Phnom Penh war das Sondertribunal für Kambodscha 2003 ins Leben gerufen worden. Tausende Schergen des Regimes werden jedoch niemals belangt werden können. Der Hauptverantwortliche, „Bruder Nr. 1“ Pol Pot, starb 1998. Acht Jahre nach ihm starb in der Haft auch sein gefürchteter Militärbefehlshaber Ta Mok.

13 Sep 2012

TAGS

Kambodscha
Kambodscha
Rote Khmer
Nachruf

ARTIKEL ZUM THEMA

Parlamentswahl in Kambodscha: Opposition will Ergebnis anfechten

Die Partei des autoritären Premierministers Hun Sen erleidet Stimmenverluste. Die erstarkte Opposition fordert eine Überprüfung.

Kambodschas Jugend: Aufklärung im Regen

Das Rote-Khmer-Tribunal in Phnom Penh betreibt Aufklärung über Kambodschas Geschichte. Gerade die Jugend weiß oft nicht viel darüber.

Tribunal gegen Rote Khmer: Mühsamer Weg zur Wahrheit

Fast 34 Jahre nach der Vertreibung der Roten Khmer stehen einige der Anführer vor Gericht. Die heutige Regierung will den Schlussstrich ziehen.

Kambodschas Ex-König Sihanouk ist tot: „Der Prinz, der einmal König war“

Der schillernde Exkönig Norodom Sihanouk war eine der wichtigsten Figuren in Kambodschas Geschichte. Am Montagmorgen ist er in Peking verstorben.

Kambodschanischer Ex-König ist tot: Sihanouk in Peking gestorben

Über Jahrzehnte war er eine der wichtigsten Figuren in Kambodschas wechselvoller Geschichte. Nun ist Ex-König Norodom Sihanouk mit fast 90 Jahren gestorben.

Völkermordtribunal in Kambodscha: Demenz statt Knast

Das kambodschanische Rote-Khmer-Tribunal streitet über eine mutmaßlich demente Hauptbeschuldigte. Der Premier will weitere Prozesse verhindern.

Justizbehinderung in Kambodscha: Richter kritisiert Rote-Khmer-Tribunal

Ein Schweizer Jurist wirft der Regierung Blockade und Einflussnahme vor. So konnte der Richter Verantwortliche nicht belangen. Er erstattet Anzeige.