taz.de -- Neuer Riesen-Schlachthof: Blutvergießen in Ahlhorn

Der mittelständische Hühnerschlachter Kreienborg kehrt seiner Heimatgemeinde Wildeshausen, die ihn lange gehätschelt hat, den Rücken und will mit den Großen der Branche mithalten.
Bild: Sollen künftig in Ahlhorn-Großenkneten sterben: Hähnchen und Hühner.

BREMEN taz | In Ahlhorn-Großenkneten wird der nächste Groß-Geflügelschlachthof entstehen – mit einer Schlachtleistung von täglich 250.000 Hähnchen. Zwar: Noch läuft erst das Bauleitverfahren. Doch Widerstand gibt es in den Gemeindegremien bislang keinen, die Ausschüsse haben es einstimmig befürwortet – und am Montagabend tagt der Rat. Bemerkenswert: Als Investor tritt allein das Familienunternehmen von Walter Kreienborg in Erscheinung.

Dessen Unternehmen ist profitabel. Der Jahresumsatz ist aber in den vergangenen Jahren geschrumpft. Er liegt derzeit bei 18 Millionen Euro – also knapp einem Hundertstel von dem des Branchen-Riesen PHW (Wiesenhof). Und doch: Von den Schlachtzahlen her würde Kreienborg in die Liga der Großen aufsteigen. So sterben im Wietzener Schlachthof täglich 140.000 Hähnchen für Wiesenhof und etwas über 400.000 in Rothkötters Mega-Anlage von Wietze.

Unklar bleibt indes, wie und ob Kreienborg das alleine wuppen will: Sein Wildeshauser Stammwerk hat er im vergangenen Jahr in „Kreienkamp“ umbenannt – ohne indes Kompagnons oder KommanditistInnen an Bord zu holen. Ganz in seiner Hand liegen auch seine in Ahlhorn gegründeten Firmen, die Kreienkamp Hähnchenschlachterei GmbH sowie die Lethetal Hähnchenspezialitäten GmbH, die 5,6 Millionen Einlage in die Kreienkamp GmbH & Co KG gezeichnet hat.

Aufmerken lässt Szenekenner allerdings die Adresse: Kreienborgs Unternehmen in Ahlhorn-Großenkneten sind allesamt an der Lether Gewerbestraße 2 anzutreffen, wo auch die Heidemark-Gruppe ihre Putenflügel-Fabrik unterhält. Und auch deren Name passt zu einer Kreienborg-Gesellschaft: Lethetal Putenspezialitäten, lautet er.

Kreienborg redet nicht mit jedem, nicht nur mit der taz nicht: Als vor einem Jahr in Wildeshausen erste Gerüchte über die Umsiedlungspläne durchsickerten, war man geschockt: „Das ist ja ein Traditionsunternehmen“, sagt Hartmut Frerichs (SPD), Ratsvorsitzender, und beteuert: „Wir haben alles versucht.“ Zwecklos. Über die ihm wohlgesinnte Nordwest-Zeitung ließ der Schlachtunternehmer dem Bürgermeister ausrichten, er habe keinen Bedarf an Kaffeeklatsch. Dann bekam er eine Ehrung im Rathaus, eine Gesprächsgelegenheit, aber: „Das war, wie gegen eine Wand reden“, erinnert sich Frerichs.

Das war enttäuschend, nachdem die Stadt Kreienborg jahrelang rote Teppiche ausgerollt hatte – die Übernahme von Kosten zur Grundstückserschließung angeboten, ihm noch im Herbst 2010 auf ein Fingerschnippen hin ein 8.207-Quadratmeter-Grundstück für eine neue Lagerhalle organisiert hatte. Sie ist gebaut worden. Wozu – bleibt Kreienborgs Geheimnis. Dass er die noch am Stammsitz braucht – unwahrscheinlich: Sie dient dazu, das Geflügel nach dem Transport auf den Lastern ruhig werden zu lassen. Das ist gut für die Fleischqualität.

Mutmaßlich war das Angebot, Heidemarks eigene Kläranlage mitnutzen zu dürfen, der entscheidende Kostenvorteil: In Wildeshausen dürften die Kanalgebühren des Schlachters bei 150.000 Euro jährlich gelegen haben. Mittlerweile scheint man sich mit dessen Wegzug dort zu arrangieren: Neben der Gewerbesteuer spiele „bei den Gemeindefinanzen zunehmend die Einkommenssteuer eine gewichtige Rolle“, gibt Hans Ufferfilge, der Leiter des Wirtschaftsreferats, zu verstehen, dass das Familienunternehmen so bedeutsam für die Kreisstadt zuletzt nicht mehr war: Das habe offenbar „andere Kostengrößen wie Löhne und Gehälter bis zum Limit ausgereizt“, und müsse nun sehen, wie es sich „durch eine steigende Ausbringungsmenge“ behaupten könne – auf dem rabiater werdenden Geflügelmarkt.

In Großenkneten hofft man indes auf bessere Beschäftigtenzahlen: „Von 300 neuen Arbeitsplätzen war die Rede“, informiert der Erste Gemeinderat Klaus Bigalke.

14 Sep 2012

AUTOREN

Benno Schirrmeister

TAGS

Schlachthof

ARTIKEL ZUM THEMA

Erfolgreicher Protest: Bürger schlachten Schlachtfabrik

Champagnerlaune bei Schlachthofgegnern: Pläne für Hähnchen-Tötungs-Anlage in Industrieformat bei Bürgerbefragung glatt durchgefallen.

Lohndumping im Schlachtbetrieb: Rumänien wollte sie vergessen

2008 kam Geanina Scrimiciuc nach Bayern um dort zu arbeiten. Doch die Firma machte Pleite. Ihren Job hätte sie behalten können – zu rumänischen Konditionen.

Geflügel-Lobbyismus: Massenmast ist nicht gemeinnützig

Niedersachsens Geflügelwirtschaftsverband hat sich als gemeinnützig ausgegeben, erweist sich aber als Sprachrohr für die Branchenriesen - mit Hang zur Drohgebärde.

Umstrittene Förderpolitik: Wietze wieder Zankapfel

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bode lobt den Schlachthof Wietze als soziales Jobwunder. Zweifel der Opposition an Subventionen.

Tierschutz-Kontrolle mangelhaft: Schlachthöfe machens richtig

In Niedersachsens Schlachtbetrieben stellen die Kontrolleure trotz tausendfacher Tötung nur selten Tierschutzverstöße fest. Die Opposition befürchtet Mauschelei vor Ort.

Verhandlung über Schlachthof in Wietze: Dummy-Schlachthof genehmigt

Der umstrittene Riesen-Geflügelschlachthof in Wietze wurde völlig anders gebaut, als er genehmigt war. Der Nabu will vor Gericht nun die Stilllegung der gesamten Anlage erreichen.

Agrarfabrik: Hähnchenmast mit Hindernissen

Die Region Hannover genehmigt neue Mastanlage für den Riesenschlachthof in Wietze, verschärft allerdings die Brandschutzauflagen. Das treibt die Kosten hoch.

Agroindustrie: Der Kämpfer von Wietze

Früher war Norbert Juretzko Führungsoffizier beim BND. Jetzt kämpft er im niedersächsischen Wietze gegen Europas größte Geflügelschlachtfabrik. Ein Besuch.