taz.de -- Neues aus der Grundschule: Der Islam im Schulbuch

RELIGION "Lies" heißt das erste Schulbuch für den islamischen Religionsunterricht. Dort werden auch immer mehr nichtreligiöse Kinder unterrichtet.
Bild: An der Robert-Koch-Schule in Bonn gibt es bereits ein islamisches Schulbuch.

Seit elf Jahren gibt es ihn nun: den islamischen Religionsunterricht an Berliner Grundschulen. In diesem Jahr steht den Lehrkräften und den SchülerInnen nun erstmals ein Lehrbuch für den Islamunterricht zur Verfügung. „Ikra“ heißt das genau 100 Seiten lange Lehrwerk, das für den Unterricht in Klasse 1 und 2 gemacht ist. Der Titel entspricht dem ersten Wort des Korans und bedeutet „Lies“. Das Buch, das von Berliner IslamlehrerInnen verfasst wurde, wird derzeit in den Unterricht eingeführt.

Etwa 5.000 Kinder unterrichten die 25 ReligionslehrerInnen der Islamischen Föderation Berlin (IFB) derzeit an 32 der 370 Berliner Grundschulen. Die Zahl ist seit fünf Jahren nahezu konstant geblieben, obwohl Nachfrage nach dem Islamunterricht an weiteren Grundschulen und auch an Oberschulen bestehe, so Burhan Kesici, langjähriger Islamlehrer und ehemaliges Vorstandsmitglied der Föderation: „Aber wir finden derzeit keine zusätzlichen Lehrkräfte.“

Nach einer Gesetzesänderung 2004 müssen diese nicht nur eine islamkundliche Prüfung, sondern ein islamwissenschaftliches oder Lehramtsstudium nachweisen. Kesici selbst unterrichtet derzeit 370 Kinder an zwei Grundschulen. An Oberschulen unterrichtet die IFB bisher nicht.

Die Aufregung, die die Einführung des Islamunterrichts vor elf Jahren begleitete, hat sich mittlerweile gelegt: An vielen Schulen sind die IslamlehrerInnen heute in die Kollegien eingebettet und arbeiten etwa mit Lehrkräften der christlichen Religionsunterrichte zusammen. „Die meisten Schulen haben gemerkt, dass wir eher dabei helfen, Probleme zu lösen, als sie zu verursachen“, sagt Burhan Kesici.

Die IFB-Lehrerin Aynur Bulut erteilt an der Neuköllner Regenbogengrundschule im fünften Jahrgang den Religionsunterricht mit ihren katholischen und evangelischen KollegInnen zusammen. Auch sie gehört wie Kesici zu dem Islamlehrerteam, das das neue Islam-Schulbuch entwickelt hat. Von den Schulbüchern der christlichen Unterrichte habe man dabei viel gelernt, sagt Bulut: „Sie waren unsere Basis und haben uns bei der Themenauswahl und den didaktischen Methoden angeregt.“

„Ich – Du – Wir“, „Allah“, „Das Gebet“ oder „Feste“ heißen Kapitel des neuen Lehrwerks, das mit vielen bunten Bildern, kurzen Texten und kindgerecht nacherzählten Geschichten aus dem Koran oder aus dem Alltagsleben Berliner Kinder die Grundzüge des Islams erklärt.

Auch das Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft und Glaubensrichtungen sowie Feste anderer Religionen werden – wenn auch knapp – thematisiert. Auf Fotos verzichtet das Islambuch, anders als christliche Lehrbücher, fast ganz. Personen sind meist gezeichnet. Mit Kritik an der Verwendung menschlicher Abbildungen, die der orthodoxe Islam eigentlich verbietet, habe man aber nicht gerechnet, sagt Burhan Kesici.

Die habe es zwar am Anfang der Unterrichtserteilung vereinzelt gegeben: Damals hätten manche Eltern es als „unislamisch“ kritisiert, wenn im Islamunterricht mit den Kindern gesungen und gemalt wurde. „Doch mittlerweile haben wir die Eltern von unseren Methoden überzeugt“, so Kesici.

Zudem habe sich die Zusammensetzung der Schülerschaft in den vergangenen Jahren verändert: „Anfangs kamen vor allem Kinder aus religiösen Familien“, sagt Burhan Kesici. Mittlerweile seien die „fast in der Minderheit“. Stattdessen meldeten zunehmend Eltern ihre Kinder an, die „Respekt vor der Religion, aber selbst kaum religiöses Grundwissen“ hätten, so Kesici. Darauf müsse der Islamunterricht sich einstellen.

Auch das neue Islambuch enthält Lieder. „Wir brauchen die Musik“, sagt Lehrerin Bulut. So lernten die Kinder etwa die arabischsprachigen religiösen Ausdrücke leichter, die Muslime zu bestimmten Gelegenheiten verwenden. „Außerdem kennen sie das Singen mit Bewegungen dazu aus anderen Grundschulunterrichten.“

Aynur Bulut hat in der Türkei Grundschulpädagogik studiert. Sie hat Wert darauf gelegt, dass das neue Schulbuch, anders als Lehrmaterialien, die in Moscheen verwendet werden, dem Lebensalltag der Kinder nahe ist – etwa, was die Kleidung der Abgebildeten angeht. „Es gibt an den Grundschulen bisher gute Resonanz auf das Buch“, sagt Bulut. Und auch aus anderen Bundesländern und sogar der Türkei sei bereits Interesse an dem Lehrbuch signalisiert worden.

In Berlin kann jede Grundschule selbst entscheiden, ob sie das Lehrbuch nutzen will. Eine Prüfung etwa durch die Senatsbildungsverwaltung sieht das Schulgesetz nicht vor. Drei Jahre haben die IslamlehrerInnen an dem Lehrbuch für Klasse 1 und 2 gearbeitet. Ein weiteres für die Klassen 3 und 4 steht vor der Fertigstellung, ein drittes für die fünften und sechsten Klassen soll folgen. Auch ein Arbeitsbuch für die ersten Klassen ist in Vorbereitung.

16 Sep 2012

AUTOREN

Alke Wierth
Alke Wierth

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Islamverbände

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