taz.de -- Iran „filtert“ Google und Gmail: Das Netz der Kontrolleure

Aufgrund des Schmähvideos will Iran ein eigenes Internet-System einführen. Der Suchdienst Google und dessen Emaildienst Gmail werden „landesweit gefiltert“.
Bild: Bald ist Schluss mit Google: Internetcafé in Teheran.

DUBAI rtr/afp | Im Zuge von Plänen zur Einrichtung eines vom weltweiten Internet abgekoppelten landesweiten Intranets hat der Iran am Montag den Zugang zum Google-Emaildienst Gmail gesperrt und den Zugriff auf die Google-Suche beschränkt. „Aufgrund der wiederholten Forderungen der Menschen werden Google und Gmail landesweit gefiltert“, hieß es in einer SMS der Behörden. Die Einschränkungen gelten demnach „bis auf Weiteres“.

Bewohner der Hauptstadt Teheran sagten, sie können nur noch über ein geschlossenes VPN-Netz auf ihre Gmail-Konten zugreifen. VPN-Netze werden häufig von computer-erfahrenen Iranern genutzt, um die weitreichende Zensur im Internet zu umgehen. Gmail wird von vielen iranischen Geschäftsleuten genutzt, um mit ausländischen Firmen zu kommunizieren.

Die Regierung in Teheran wirft dem Westen vor, über das Internet einen „nicht-erklärten Krieg“ zu führen, der darauf abziele, die Regierung zu schwächen. Deshalb solle schrittweise ein „iranisches Internet“ eingerichtet werden, das von ausländischen Servern und Rechercheseiten abgekoppelt ist.

In der Vergangenheit war der Zugang zu Google und Gmail bereits vorübergehend blockiert worden, auch der Zugriff auf soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter wird im Iran regelmäßig gesperrt. Auch das Online-Videoportal YouTube unterliegt immer wieder der Zensur.

Sabotage-Angriff

Viele Iraner sagen indes, dass die Blockade etwa von YouTube oder Facebook darauf zurückzuführen sei, dass diese Seiten bei den Anti-Regierungsprotesten nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Jahr 2009 genutzt wurden.

Ein Jahr später hatte der Iran seine Internet-Sicherheit deutlich verstärkt, nachdem es einen Sabotage-Angriff auf das Atom-Programm des Landes mit Hilfe des Computervirus Stuxnet gegeben hatte.

Die iranische Nachrichtenagentur ISNA meldete derweil, die Google-Blockade stehe im Zusammenhang mit dem jüngsten Mohammed-Schmähvideo. Die islamische Republik hat jetzt schon einen so umfangreichen Internet-Filter wie kaum ein anderes Land. Begründet wird dies offiziell mit anstößigen oder kriminellen Inhalten von Seiten.

Im Mai hatte der Iran rechtliche Schritte gegen Google angekündigt, nachdem der US-Konzern beschlossen hatte, den Namen „Persischer Golf“ aus seinem Kartendienst Google Maps zu tilgen und das Gewässer stattdessen ohne Namen zu führen. In vielen arabischen Ländern heißt das Gewässer „Arabischer Golf“, was der Iran als nicht hinnehmbar bezeichnet.

24 Sep 2012

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