taz.de -- Kommentar Wahl Venezuela: Das linke Lager atmet auf
Chavéz erreicht die Unterschicht noch immer wie kein anderer. Doch nicht nur in Venezuela hat man registiert, dass die rechte Opposition aufgeholt hat.
Und wieder hat es Hugo Chávez allen gezeigt. Bereits zum vierten Mal in Folge hat er der Welt eine Lektion erteilt, um es mit seinen Worten zu sagen. Was wurde nicht spekuliert über den Zustand der präsidialen Krebserkrankung, über den jungdynamischen Shootingstar der vereinigten Mitte-rechts-Opposition? Letzterem wurde noch wenige Stunden vor der Wahl ein technisches Unentschieden zugetraut.
Mit knapp zehn Prozent Unterschied hat Chavez seinem Herausforderer die Grenzen aufgezeigt. Auch ohne detaillierte Wahlanalyse ist klar, dass Capriles nicht die nötigen Stimmen aus der Unterschicht bekommen hat. Die Hochburgen von Hugo Chávez sind noch immer die roten Backsteinhäuschen an den Hängen von Caracas und anderswo. Dort lebt die entscheidende Mehrheit der venezolanischen Bevölkerung und die erreicht der Commandante noch immer wie kein anderer.
Für Capriles Anhängerschaft geht dagegen ihr Trauma mit der bolivarianischen Revolution weiter. Noch ruft niemand „Wahlfälschung“. Aber wer derart von einem Sieg überzeugt war, wird die Klatsche vom Sonntag nur als Betrug akzeptieren. Nicht wenige überlegen, die Koffer zu packen. Ob sie es wirklich tun ist offen. Denn wer durch ihre Wohnviertel streift, bekommt nicht den Eindruck, dass wirtschaftliche Not sie außer Landes treibt.
Das Aufatmen über Chávez’ Sieg war jedoch nicht nur bei seiner venezolanischen Anhängerschaft zu hören. Die ganze Linke in der Region wartete am Sonntag auf das Ergebnis. Ideologische- und wirtschaftliche Interessen dürften sich dabei die Waage gehalten haben. Allen voran Kuba hat sich für weitere sechs Jahre günstige Öllieferungen gesichert. Doch auch dort wird registriert, dass die rechte Opposition aufgeholt hat und man weiß ganz genau wie es um Chávez‘ Gesundheit steht.
8 Oct 2012
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