taz.de -- Kommentar Pussy-Riot-Urteil: Die Kremllogik gewinnt
Das neue Urteil zu Pussy Riot ist auch ein Signal an die Opposition im Land: Wir geben nicht nach – du kannst schon der Nächste sein.
Der Kreml setzt weiterhin auf Härte und Einschüchterung. Im Berufungsverfahren gegen die Frauen-Punkband Pussy Riot bestätigte nun auch das Moskauer Stadtgericht das Lagerhaft-Urteil der ersten Instanz. Mit einer Veränderung allerdings: Eine der drei Aktivistinnen konnte das Gericht verlassen, ihre Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Jekaterina Samuzewitsch hatte zu Beginn des Berufungsverfahrens die Anwälte gewechselt.
Weder ihre Unzufriedenheit mit dem früheren Anwaltskollektiv noch ihr jetziges Urteil dürften zufällig gewesen sein. Die Machthaber setzen alles daran, Zwist zu säen und die Phalanx des Protestes zu durchbrechen. Der Umgang mit Pussy Riot ist auch ein Signal an die Opposition im Land: Wir geben nicht nach – du kannst schon der Nächste sein.
Die Strategie der neuen Verteidigung von Jekaterina Samuzewitsch machte dennoch Sinn. Sie setzte auf das Verhalten der Angeklagten während des Punkgebets in der Christi-Erlöser-Kathedrale. Samuzewitsch hatte an der Aktion nicht mehr teilnehmen können, da sie von Wachleuten vorher festgenommen worden war. Ein Gericht, das rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet ist, muss diesen Umstand berücksichtigen. Das rechtsstaatsferne Moskauer Milieu hätte auf solche Details gleichwohl nicht achten müssen.
Das Urteil folgt jedoch der Logik des Kreml, der mit der Affäre Pussy Riot die Reihen der konservativen und intoleranten Putin-Klientel in den Provinzen noch enger hinter sich schließen möchte. Der Putin-Klientel gehören aber auch vorsichtige Kritiker aus den eigenen Reihen an, die das Ersturteil für zu hart hielten. Mit der Bewährungsstrafe wurden nun auch sie befriedet.
10 Oct 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ein russisches Gericht verbietet Videoclips der russischen Punkband Pussy Riot. Gleichzeitig erscheinen mehrere Bücher zum Thema.
Die drei Verteidiger der inhaftierten Musikerinnen von Pussy Riot dürfen ihre Mandantinnen nicht besuchen. „Wir können sie nicht mehr beschützen“, teilten sie mit.
Die Duma verabschiedet ein neues Kontrollgesetz. In Zukunft können Kontakte zu ausländischen Organisationen mit Haftstrafen geahndet werden.
Das Berufungsurteil bestätigt Haftstrafen für zwei Pussy-Riot-Mitglieder, lässt aber eine Frau auf Bewährung frei. Sie hatte an der Protestaktion gar nicht teilgenommen.
Überraschendes Urteil im Berufungsprozess zu Pussy Riot: In einem Fall wurde die Strafe auf Bewährung ausgesetzt. Die anderen Musikerinnen müssen zwei Jahre ins Straflager.
Die anhaltische Stadt Wittenberg hat die Band Pussy Riot für den Lutherpreis vorgeschlagen. Dagegen wehren sich jetzt Kirchen- und Bürgervertreter.
Um den russischen Präsidenten ist ein unglaublicher Bilderkult entstanden. Der dürfte zu Putins bevorstehendem 60. Geburtstag einen Höhepunkt erreichen.
Vertagt: Das Berufungsverfahren gegen Pussy Riot findet am 10. Oktober statt. Eine der Künstlerinnen hat ihre Anwälte ausgetauscht.
Am Montag findet das Berufungsverfahren gegen drei Musikerinnen von Pussy Riot statt. Im Untergrund organisiert Schljapa die Band.