taz.de -- Funkzellenabfragen: Rot-Schwarz filzt weiter Handys

Koalition will mit einer Bundesratsinitiative die Rahmenbedingungen für die umstrittene Funkzellenabfrage klären.
Bild: Wird häufiger als nötig kontrolliert: Handynutzerin in Berlin.

Die Regierungskoalition will an der umstrittenen Funkzellenabfrage für die Verbrecherjagd festhalten und dafür die Rahmenbedingungen konkretisieren. SPD und CDU einigten sich am Mittwoch darauf, die Maßnahme über eine Bundesratsinitiative gesetzlich auf schwere Straftaten beschränken zu wollen. Zudem sollen die Bürger besser informiert werden, sollten sie erfasst worden sein, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Die massenhaften Überprüfung von Handydaten ist umstritten, da vor allem Unbeteiligte betroffen sind. Der Datenschutzbeauftragte Alexander Dix kritisierte jüngst erhebliche Mängel. So sei das „letzte Mittel bei der Polizeiarbeit“ zur Alltagsmaßnahme geworden. Oft fehle eine Begründung. Betroffene seien nicht wie vorgeschrieben informiert worden.

Die Rechtspolitiker Sven Kohlmeier (SPD) und Sven Rissmann (CDU) erklärten, im „Herbst der Entscheidungen“ würden „Grundrechtsschutz und Strafverfolgungsinteresse“ in Ausgleich gebracht. „Vorstellbar ist es, Betroffene über eine Internetseite zu informieren“, sagte Rissmann. Der technische und finanzielle Aufwand müsse nun geprüft werden.

Bei der Abfrage werden anonyme Daten von Mobilfunknutzern in einem bestimmten Gebiet und Zeitraum erhoben. Dazu zählen etwa Rufnummer, Anfangs- und Endzeit von Gesprächen sowie der ungefähre Standort. Die Anschlussinhaber werden erst nach weiteren Anhaltspunkten ermittelt. Laut Polizei ist dies in weniger als einem Prozent der Fall. Zwischen 2009 und Ende Juli 2012 wurde die Funkzellenabfrage in 1.109 Verfahren eingesetzt. In 116 Fällen wurden neue Ermittlungsanhalte gewonnen – ob damit Täter überführt werden konnten, ist jedoch unklar.

10 Oct 2012

TAGS

Handy
Datenschutz
Telefonica
Schwerpunkt Überwachung

ARTIKEL ZUM THEMA

Funkzellenabfragen in Berlin: Für die Polizei ist sie alltäglich

Funkzellenabfragen sollen selten genutzt werden. In Berlin ist das anders, berichtet der Beauftragte für Datenschutz. Betroffene werden selten informiert.

Mobilfunk-Überwachung: Von wegen streng geheim

Behörden sollen künftig Inhaber und PIN eines Handys abfragen können. Auch dann, wenn nur eine Ordnungswidrigkeit vorliegt.

Verwertung von Telefondaten: Ich sende, also bin ich

Der Mobilfunkkonzern Telefónica will Bewegungsdaten von Nutzern zu Geld machen. Die Vision: Wer keine Datenspuren hinterlässt, ist nicht mehr relevant.

Funkzellenabfrage in Berlin: Zu tief ins Handy geguckt

Berlins oberster Datenschützer verteilt eine Ohrfeige: Ermittlungsbehörden haben Verbindungsdaten von Mobiltelefonen über die Maßen angezapft.

Kommentar Kritik an Funkzellenabfrage: Schluss mit dem Datensammeln!

Angesichts des aktuellen Datenschutz-Berichts drängt sich der Eindruck auf: Die Abfragen gehören längst zum Standardrepertoire der Ermittlungen.

Fahndung in Berlin: Polizei setzt auf Handys

Die Berliner Polizei fragte innerhalb von drei Jahren 6,6 Millionen Handydaten ab und will damit einen guten Fang gemacht haben. Die Opposition hält davon wenig.