taz.de -- Stadtrat in Reggio Calabria aufgelöst: 'Ndrangheta unterwandert Regierung
Erstmals wurde die Regierung einer Provinzhauptstadt in Süditalien wegen Verbindungen zur Mafia aufgelöst. Auch im Norden des Landes gab es Festnahmen.
ROM/REGGIO CALABRIA dpa/afp/dapd | Die italienische Regierung hat erstmals in der Geschichte des Landes den Rat einer Provinzhauptstadt wegen seiner Nähe zur Mafia aufgelöst und die Stadtverwaltung unter Aufsicht gestellt. Die Regierung von Mario Monti griff in der Stadt Reggio Calabria in der süditalienischen Region Kalabrien durch, wie Innenministerin Annamaria Cancellieri laut Nachrichtenagentur Ansa am Dienstagabend in Rom mitteilte.
Acht Verdächtige seien festgenommen worden, darunter sieben mutmaßliche Mitglieder der kalabresischen Mafia 'Ndrangheta und ein Stadtbeamter, teilten die Ermittler am Mittwoch mit. In der Lombardei wurden zudem rund 20 Menschen festgenommen, darunter ein örtlicher Politiker.
Die Intervention sei nötig geworden, weil die Verwaltung etwa öffentliche Ausschreibungen nicht wie gefordert auf Verwicklungen mit der 'Ndrangheta überprüft habe, sagte Cancellieri. Zudem habe es Probleme bei der Verwaltung von beschlagnahmtem 'Ndrangheta-Vermögen und beim sozialen Wohnungsbau gegeben.
„Wir haben den Willen, das Land in die Legalität zurückzubringen“, sagte sie. Die Stadt mit 190.000 Einwohnern sei in einer sehr schwierigen finanziellen Lage. Die Ansa berichtete von fehlenden 160 Millionen Euro.
„Schmerzhafte Entscheidung“
Die Auflösung des Stadtrates sei eine „vorbeugende Maßnahme“ und keine Bestrafung", erklärte die Innenministerin. Es handele sich um eine „schmerzliche Entscheidung“, die aber „im Interesse der Stadt“ getroffen worden sei. Der Schritt wurde in einer Kabinettssitzung unter Vorsitz von Monti in der Nacht zum Mittwoch gebilligt. Laut Cancellieri wird die Stadt nun 18 Monate lang von drei Kommissaren unter Leitung des Präfekten von Crotone, Vincenzo Panico, verwaltet.
Zu den in der südlichen Hafenstadt Reggio Calabria Festgenommenen zählt auch der Chef der Stadtreinigung Leonia, bei der es sich um eine Öffentlich-Private Partnerschaft handelt, die vom Stadtrat kontrolliert wird. Solche Partnerschaften seien ein neues Feld für „Beziehungen zwischen Mafia-Clans und wirtschaftlichen und sozialen Gefügen“, erklärte Cancellieri. Stadtverträge seien eine „Barreserve“ für die Mafia.
Kauf von Wählerstimmen
Bei einem weiteren Einsatz gegen die 'Ndrangheta nahm die Polizei in der norditalienischen Lombardei am Mittwoch mindestens 20 Menschen fest. Unter ihnen ist auch der Regionalpolitiker Domenico Zambetti, Mitglied der Regionalregierung von Mailand. Italienischen Medienberichten zufolge wird dem Politiker der Berlusconi-Partei PdL der Kauf von Wählerstimmen und Verbindungen zu der Mafia-Organisation vorgeworfen.
Er soll der 'Ndrangheta 200.000 Euro gezahlt haben, um bei den Regionalwahlen 2010 im Gegenzug 4.000 Stimmen zu erhalten. Im Gegenzug habe die Verbrecherorganisation von dem Politiker Gefälligkeiten erwartet. Zambetti war in der Mailänder Regionalregierung als Beauftragter für Wohnungswesen tätig. Er ist bereits der fünfte Politiker in der Region Lombardei, der in den vergangenen Monaten ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten ist.
11 Oct 2012
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