taz.de -- Mineralienschmuggel aus Ostkongo: Allianz der Erzfeinde
US-Regulierungen haben weder Schmuggel noch Konflikte um den Mineralienhandel eingedämmt, sagen Experten. Alles soll weitergehen wie bisher.
BRÜSSEL taz | Die Skepsis wächst über die Wirksamkeit der internationalen Maßnahmen, um per Regulierung des Mineralienhandels die bewaffneten Konflikte im Osten der Demokratischen Republik Kongo einzudämmen. In erster Linie geht es um die neue US-Gesetzgebung im Rahmen des Börsenregulierungsgesetzes „Dodd-Franck“, das Unternehmen den Nachweis einer „konfliktfreien“ Herkunft ihrer Mineralien abverlangt.
Das sei „größtenteils unwirksam“, sagt zur taz ein mit dieser Frage befasster belgischer Geologe. Auch die Idee, dass im Kongo Frieden einkehre, wenn keine Einnahmen aus dem Mineralienexport mehr an Warlords fließen, sei ein „Wunschtraum“.
Zum einen sei Mineralienhandel nicht die einzige Finanzquelle. Bewaffnete Gruppen besteuern die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Aktivitäten unter ihrer Kontrolle, vom Ackerbau bis zum Wildtierschmuggel.
Und auch Kongos Regierungsarmee betreibt Handel und ist in Minen präsent, wie selbst die Regierung zugibt. Es genügt also nicht, Handel unter staatliche Kontrolle zu bringen, um Konfliktfinanzierung auszuschließen.
18 Prozent des weltweit geförderten Tantalerzes, wichtig für die Herstellung von Handys und im Kongo als „Coltan“ bekannt, kommt nach EU-Angaben aus dem Afrika der Großen Seen, jeweils zur Hälfte aus ruandischen und kongolesischen Minen.
Sinkende Exportdaten
85 Prozent der Förderstätten der Region liegen im Kongo; der Rest ist auf Ruanda, Burundi und Uganda verteilt. Seit dem Inkrafttreten der US-Gesetzgebung ist der legale Export aus dem Kongo nach OECD-Angaben um 90 Prozent gesunken.
Auch Ruanda verzeichnete in den ersten acht Monaten 2012 einen kräftigen Rückgang seiner Einnahmen aus dem Zinnerzexport gegenüber dem Vorjahreszeitraum, von 65 auf 35 Millionen Dollar.
Transparente Handelsketten sind teuer. Es kostet 400 Dollar pro Tonne Erz, um die 50-Kilo-Säcke zu versiegeln und mit fälschungssicheren Herkunftsnachweisen zu versehen. Dennoch hat die Region einen Standortvorteil: Die Arbeitskräfte in den Minen sind praktisch gratis.
„Wo sonst auf der Welt kann man Mineralien zum reinen Marktwert kaufen, ohne die Förderarbeit bezahlen zu müssen? Es geht nur dort!“, sagt der belgische Geologe.
Exportsteuern nur im Kongo
Er spricht von einer „objektiven Allianz“ zwischen den Mineralienhändlern von Kongo, Ruanda und Burundi, die allesamt das Interesse hätten, den Staat herauszuhalten. Denn Kongo erhebt, anders als die Nachbarländer, Exportsteuern auf Mineralien.
Für einen 25-Tonnen-Lkw Zinnerz sind an der Grenze 6.500 US-Dollar fällig. Natürlich ist es da attraktiver, das Mineral erst in Ruanda zu deklarieren, wenngleich Ruanda nach eigenen Angaben immer wieder solche Lieferungen aufgreift und in den Kongo zurückschickt.
In diesem Kontext sind Kongos bewaffnete Gruppen ein „Randphänomen“, so der Belgier. Sie schöpfen zwar Profite ab, aber ohne sie wäre der Schmuggel genauso verbreitet. Und es gibt immer irgendwo auf der Welt jemanden, der unabhängig von der Rechtslage kauft.
Chinesen kaufen zu Diskountpreisen
Das Gold der Region landet komplett in den Vereinigten Arabischen Emiraten, meist über Burundi. Als Nichtmitglied der OECD sind die Emirate keinen Regelwerken zum transparenten Handel unterworfen. Chinesische Firmen kaufen angeblich kongolesische Erze ohne Herkunftsnachweis zu einem Discount von 30 bis 50 Prozent.
In der EU mehren sich Stimmen, die eine Form der US-Gesetzgebung nach Europa übertragen möchten. Deutschland, einst mit der Firma H. C. Starck Weltmarktführer bei der Tantalerzverarbeitung, ist allerdings zurückhaltend.
Offen bleibt, wie China als wichtigster Abnehmer gezwungen werden soll, sich solchen Gesetzen zu beugen. Experten sagen, dass Länder wie Kasachstan als „Erzwaschanlagen“ dienen, wo Erze aus dem Afrika der Großen Seen mit solchen aus Russland vermischt werden, bevor sie zur Verarbeitung nach Ostasien gelangen.
24 Oct 2012
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