taz.de -- WM-Maskottchen der Radrennfahrer: Pinocchio im Dopingsumpf
Eine lügende Marionette wirbt für die Straßen-WM der Radrennfahrer: Pinocchio. Das ist eine mutiges und passendes Signal des Weltverbandes UCI.
BERLIN taz | Spricht der geschnitzte Hampelmann Pinocchio eine Lüge aus, wächst seine Nase ein Stück. Nun hat der Internationale Radsportverband UCI beschlossen, ausgerechnet diese Figur als Maskottchen für die Straßen-WM 2013 in der Toskana zu wählen – eine selten geschmackssichere Wahl.
Im Laufe seiner Abenteuer bringt es der Holzzinken Pinocchios auf eine respektable Länge. Wie es UCI-Präsident Pat McQuaid gelingt, seine Nase auf Normalmaß zu halten, ist hingegen völlig unklar. Der Ire regiert den Verband seit 2005 wie ein Sonnenkönig. McQuaid ist eine Art Sepp Blatter des Radsports. Ihn umgegeben ebenso viele Skandale wie den allmächtigen Fifa-Boss.
Nachdem die US-Anti-Doping-Behörde Usada ihren explosiven Doping-Bericht veröffentlicht hatte, wurde nicht Lance Armstrong von McQuaid hart kritisiert, angegriffen wurden die darin genannten Zeugen: „Hamilton und Landis sind Drecksäcke.“
McQuaid, „verpiss dich“!
Radprofis und Funktionäre aus aller Welt fordern McQuaids Rücktritt. Der ehemalige Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, Richard Pound, hat ihm und der UCI jegliche Glaubwürdigkeit im Umgang mit Doping abgesprochen. Auch nach dem Armstrong-Bericht tue die UCI noch immer so, als handele es sich um Einzelfälle.
Der dreifache Toursieger Greg Lemond drückt sich noch klarer aus: „Ich möchte die Radsportwelt bitten, helft mir, Pat McQuaid zu sagen, verpiss Dich. (...) Ich habe noch nie solch einen Missbrauch von Macht erlebt.“ Kritik beeindruckt den 63-jährigen Iren indes wenig. McQuaid will 2013 bei den Pinocchio-Festspielen in Florenz für eine weitere Amtszeit kandidieren.
Am Ende der Pinoccio-Geschichte hört der Holzbub übrigens mit dem Lügen auf und wird ein ehrbarer Junge aus Fleisch und Blut, der nie wieder die Unwahrheit sagt – also eine Art Gegenentwurf zum UCI-Präsidenten. So ist das eben im Märchen ...
Der Ausdruck des Maskottchens sei unter anderem „positiv“, schreibt die UCI auf der offiziellen [1][WM-Webseite]. Das lassen wir einfach mal so stehen.
30 Oct 2012
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem Fall Armstrong formieren sich die Reformer. Sie wollen den Radsport-Weltverband UCI auf Vordermann bringen und neue Wege erkunden.
Ein groß angelegtes Forschungsprojekt zur Geschichte des Dopings in Deutschland scheitert kurz vor dem Abschluss. Die Ergebnisse bleiben unter Verschluss.
Jens Voigt ist seit 16 Jahren Radprofi. Zur aktuellen Dopingdebatte hat er nichts beizutragen. Denn er will nichts mitbekommen haben.
Der Radsportweltverband erklärt Lance Armstrong offiziell zum bösen Buben. Der Ex-Radler ist nun lebenslang gesperrt und der Verband geht zur Tagesordnung über.
Der frühere Team-Telekom-Chef Rudy Pevenage nimmt den Enthüllungsbericht über Lance Armstrong zum Anlass für jede Menge Selbstmitleid. Och, der Arme!
Das Kartell der Trickser: 1.000 Seiten Belastungsmaterial liegen gegen den siebenmaligen Tour-de-France-Sieger Armstrong und viele seiner Kollegen vor.
Der frühere Radprofi Tyler Hamilton hat mit seinen Enthüllungen die Jäger der Welt-Anti-Doping-Agentur aufgerüttelt. Die geben sich kämpferisch.
DDR-Dopingopfer Krieger kämpft vergeblich für die Streichung seiner Kugelstoßrekorde. Der Leichtathletik-Weltverband führt sie weiter in seiner Liste.