taz.de -- Kommentar „Racial Profiling“: Keine Selbstverständlichkeit

Polizeikontrollen nach Hautfarbe sind rechtswidrig, hat ein Gericht entschieden. Doch besser wäre, verdachtsunabhängige Kontrollen generell zu verbieten.

Niemand darf in Deutschland von der Polizei nur deshalb angehalten und kontrolliert werden, weil er dunkle Hautfarbe hat. Das hat jetzt das Oberverwaltungsgericht Koblenz festgestellt. Dunkle Hautfarbe begründe noch keinen Verdacht, dass jemand illegal in Deutschland lebt.

Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit. Aber jeder der regelmäßig Bahn fährt, kennt solche Kontrollen, bei denen die Polizei nur die Ausweise von Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe kontrolliert. Die Bundespolizei hat ein solches Verdachtsprofil vor Gericht auch ausdrücklich eingeräumt und das Koblenzer Verwaltungsgericht hat dies in erster Instanz sogar für zulässig erklärt. Es geht also leider doch nicht um Selbstverständlichkeiten, sondern um eine dringend nötige Klarstellung.

In der Folge dieses Urteils wird die Bundespolizei nun vermutlich häufiger einfach alle Zuginsassen kontrollieren. Das ist für „weiße“ Deutsche zwar lästiger, aber auch weniger beschämend, als wenn sie von der Polizei offensichtlich privilegiert werden. Sinnvoller wäre aber, wenn die Bundespolizei auf solche Kontrollen zumindest bei Strecken tief im Inland völlig verzichten würde. Der konkrete Fall spielte sich zwischen Frankfurt/Main und Kassel ab – weitab von jeder Grenze.

Am besten wäre es jedoch, wenn die entsprechende Norm im Bundespolizeigesetz gleich völlig abgeschafft würde. Derzeit sind verdachtsunabhängige Kontrollen erlaubt, um die „unerlaubte Einreise“ von Ausländern zu verhindern. Es ist aber völlig unverhältnismäßig, für so ein harmloses Delikt, bei dem ja niemand zu Schaden kommt, solche schikanösen Polizeistaatsmethoden vorzusehen. Parteien, die sich etwas trauen, sollten das zum Wahlkampfthema machen.

30 Oct 2012

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Gericht

ARTIKEL ZUM THEMA

Studie zu „Racial Profiling“: Rassismus per Gesetz?

Wenn die Polizei aufgrund von Gesichtszügen, Haut- oder Haarfarbe Ausweise kontrolliert, ist das rassistisch. Aber es passiert auf einer gesetzlichen Grundlage.

Polizeigewerkschafter über Rassismus: „Ich verstehe den Vorwurf nicht“

Wer nichts verberge, kann sich auch kontrollieren lassen, sagt Polizeigewerkschafter Witthaut. Eine unabhängige Beschwerdestelle findet er dennoch nicht gut.

Polizeiwissenschaftlerin zu Rassismus: „Alle Stereotype der Mittelschicht“

Für die Polizeiwissenschaftlerin Astrid Jacobsen haben deutsche Polizisten kein Rassismusproblem. Stattdessen denken sie in typischen Mittelschichtklischees.

Petition gegen Racial Profiling eingereicht: Willkürlich unter Verdacht

Wegen der Hautfarbe von der Polizei kontrolliert zu werden, gehört für viele dunkelhäutige Deutsche zum Alltag. Nun fordert eine Petition die Abschaffung der Praxis.

Urteil zu Kontrollen nach Hautfarbe: Gericht verbietet Polizei-Rassismus

Noch im März hatte ein Gericht es für zulässig erklärt, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe kontrolliert werden. In der Revision wurde das Urteil nun für nichtig erklärt.