taz.de -- Video der Woche: Verfassungsschutz, aber cooler
Aktenschreddern und Ahnungslosigkeit? Von wegen! Der Verfassungsschutz beschützt Embryos und erlebt aufregende Thrillerszenen – zumindest im Imagevideo.
Das Video setzt gleich zu Beginn auf Urinstinkte. Zuerst der Ton: Herzklopfen. Dann die Bilder: ein Embryo im Bauch der Mutter, ein süßes Baby. Schon die Kleinsten sehnen sich schließlich nicht nur nach Wärme, sondern auch nach Sicherheit. Deshalb, so beginnt die Botschaft, braucht es den Verfassungsschutz. Denn „manchmal ist es nur ein kleiner Schritt von Meinung zu Propaganda, von Kritik zu Hetze, von Demokratie zu Diktatur“.
In zwölf Minuten lernt man so einiges über den Verfassungsschutz. Wie er gegen „extremistische Kräfte" kämpft, wie er „qualifizierte nachrichtendienstliche Arbeit" verrichtet. Wie er digital kommuniziert. Wie er eine – gebrochen Deutsch sprechende – Zielperson beschattet. Und wie er „umfangreichen Kontrollen“ unterliegt.
Man lernt also viel darüber, was für ein Bild das Bundesamt für Verfassungsschutz von sich selbst hat. Ein Bild, das von der Außenwahrnehmung, nun ja, schon etwas abweicht. Eine Mischung aus Telekolleg, Sendung mit der Maus – und ein bisschen James Bond. Mit Splitscreens und spannungsgeladener Musik. Auch taz.de spielt [1][eine Nebenrolle], wenn auch nur eine sehr kleine.
Wahrscheinlich hätte den Imagefilm („eine Eigenproduktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz“) kaum einer wahrgenommen, wenn ihn nicht [2][das Blog netzpolitik.org entdeckt] und auf Youtube gestellt hätte. Gut zwei Jahre ist der Film alt, zum ersten Mal wurde er 2010 auf dem „Familientag“ des Verfassungsschutzes gezeigt, [3][auf deren Webseite] wurde er dann im Juni 2012 gestellt. Kurz danach [4][trat Behördenchef Heinz Fromm zurück] – weil in seinem Amt wichtige Akten mit Bezug zum Terrortrio NSU geschreddert wurden.
[5][Aktenvernichter] kommen im Film aber nicht vor. Ebenso unerwähnt bleibt, dass die Behörde mit [6][äußerst dubiosen V-Leuten] zusammenarbeitet. Die Vorwürfe an den Verfassungsschutz gehen so weit, dass viele seine Abschaffung fordern. Am Samstag will dafür ein Bündnis linker Gruppen [7][vor dem Sitz des Verfassungsschutzes in Köln-Chorweiler demonstrieren].
Der Imagefilm werde bald auf den neuesten Stand gebracht, sagte eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Also der Teil, in dem der Behördenpräsident zu sehen ist. Schließlich müsse in Zukunft der [8][neue Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen] gezeigt werden. Um per Video um „Ihr Vertrauen“ zu werben.
9 Nov 2012
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