taz.de -- Kommentar BGH-Download-Urteil: Eltern vom Kontrollzwang befreit
Die Richter des BGH haben Familiensinn bewiesen. Doch das Urteil zu Musik-Downloads von Kindern ist kein Freibrief – und es kommt zu spät.
Die regelmäßigen Razzien im Kinderzimmer können entfallen. Eltern müssen nicht monatlich den Computer ihrer Kinder kontrollieren, um eine Haftung für illegale Musik-Downloads des Nachwuchses zu vermeiden. Das hat am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Ein gutes Urteil für Eltern.
Es entlastet das Verhältnis zu den Kindern, weil die Eltern ihnen nicht ständig offen oder heimlich hinterherspionieren müssen. Dass Erziehung auch etwas mit Vertrauen zu tun hat, haben die Richter (fünf Männer) klar erkannt. Außerdem wird Erziehung auch lächerlich, wenn die Eltern Computer kontrollieren sollen, die die Kinder und Jugendlichen eh viel besser beherrschen.
Die Musikindustrie warnte zwar, hier werde das „Tor zur Rechtlosigkeit“ aufgestoßen. Doch das Gegenteil ist richtig. Die unverhältnismäßigen Sanktionen für jugendtypische Urheberrechtsverletzungen haben die Akzeptanz des Urheberrechts bei der jungen Generationen immer mehr in Frage gestellt – auch wenn nicht die minderjährigen ertappten Filesharer, sondern ihre Eltern Tausende von Euro an die Musikindustrie und deren Anwälte zahlen mussten.
Diese Akzeptanzprobleme hat auch der BGH erkannt und nimmt nun etwas Druck aus dem Kessel. Wenn ein Jugendlicher zum ersten Mal auffällt, müssen die Eltern nicht haften. Erst wenn er sich als Wiederholungstäter entpuppt, werden die Eltern gefragt, ob sie den Computer ausreichend gesichert und kontrolliert haben.
Das Two-Strikes-Modell
Das Urteil enthält also keinen allgemeinen Freibrief für Filesharer, sondern gilt nur für Familien mit minderjährigen Kindern. Und auch dort wirkt es wie eine Art Two-Strikes-Modell: Beim zweiten Erwischtwerden stellt zwar niemand das Internet ab, aber die Eltern müssen dann in der Regel doch blechen.
Die Bedeutung des Urteils sollte aber auch deshalb nicht überschätzt werden, weil Internet-Tauschbörsen in jüngster Zeit deutlich auf dem Rückzug sind. Wer sich illegal und kostenlos Musik im Internet besorgen will, nutzt derzeit eher so genannte File-Hoster, bei denen keine Spuren zum heimischen Computer führen. Das BGH-Urteil kommt also auch noch zu spät. Aber immmerhin, es kam.
16 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eltern müssen die Computer ihrer Kinder nicht permanent kontrollieren – und deswegen auch nicht zwingend Schadensersatz für illegale Downloads zahlen.
In Japan ist ein neues Gesetz gegen illegale Downloads in Kraft getreten. Es sieht drakonische Geld- und Haftstrafen vor. Aber das Gesetz hat Lücken.
675.000 Dollar Strafe für 30 Songs: Ein US-Bundesgericht hat eine Rekordstrafe für einen Filesharer bestätigt. Der „Täter“ war zur Tatzeit 16 Jahre alt.
Eine Anwaltskanzlei will die Namen von Gegnern öffentlich machen, die illegal Pornos getauscht haben sollen. Reicht Filesharing als Grund, um sexuelle Vorlieben zu outen?