taz.de -- Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz: Erzieher verzweifelt gesucht
In Deutschland werden die Kita-Angebote deutlich ausgebaut, denn ab 2013 haben Kinder Anspruch auf einen Platz. Qualifiziertes Personal ist Mangelware.
BERLIN taz | Fünf Milliarden Euro hat der Bund für den Kita-Ausbau bereitgestellt, gerade eben hat der Bundestag 580 Millionen Euro zugesagt. Nötig sind diese Ausgaben, weil es ab August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz gibt.
Doch selbst wenn es den Ländern gelingt, genügend Kita-Plätze zu schaffen, fehlt Fachpersonal. Im Oktober waren bei der Bundesagentur für Arbeit zwar gut 6.000 freie Stellen und 27.000 arbeitssuchende ErzieherInnen gemeldet. 2013 dürfte sich dieses Verhältnis aber umkehren. Eine Berechnung des Deutschen Jugendinstituts und der TU Dortmund geht von bis zu 20.000 fehlenden Fachkräften aus.
In Berlin ist der Fachkräftemangel bereits zu spüren. „Stellen in den Randbezirken oder zur Elternzeitvertretung sind besonders schwer zu besetzen“, sagt Maria Lingens, Kita-Fachberaterin bei der Arbeiterwohlfahrt. Krankheitsvertretungen seien praktisch nicht zu finden, weil niemand mehr auf befristete Stellen angewiesen sei.
In Frankfurt ist die Situation nicht so dramatisch. „Die freien Kita-Betreiber spüren den Druck aber bereits“, sagt eine Sprecherin des Frankfurter Bildungsdezernats. Und das, obwohl sich die Stadt bemüht, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. 2008 verdoppelte die Berta-Jourdan-Schule für Sozialpädagogik ihr Ausbildungsangebot auf fast 1.000 Plätze.
Chance für Quereinsteiger
Zusätzlich eröffneten zwei private Fachschulen. Mit Unterstützung bei der Wohnungssuche und Weiterbildung sollen die Absolventen in der Stadt und lange im Beruf gehalten werden. Zudem wirb Frankfurt mit gutem Erfolg um Quereinsteiger aus anderen Berufen für die Erzieherausbildung.
Die Umschulung von Arbeitslosen zu Erziehern hingegen funktioniert nicht so gut. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte dies anlässlich der Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker vorgeschlagen. Doch statt der angedachten bis zu 5.000 Schlecker-Frauen haben nur etwa 100 eine Ausbildung zur Erzieherin begonnen.
29 Nov 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im oberpfälzischen Amberg suchen die Hartingers vergeblich einen Kitaplatz für ihren Sohn. Die Stadt rechnet sich das Problem einfach weg.
Sachsen-Anhalt will ab August nicht nur einen Kitaplatz für unter Dreijährige garantieren, sondern auch deren Ganztagsbetreuung.
Studierte ErzieherInnen machen Kitas besser, sagt Jugendinstituts-Chef Thomas Rauschenbach. Neueste Forschungsergebnisse gelangen so schneller in die Praxis.
Drei Prozent der Kita-Beschäftigten haben mittlerweile einen Hochschulabschluss. Trotz ihrer Qualifikation verdienen sie aber zu wenig.
Dürfen Jungs heulen? In Lotta Rajalins Kindergärten in Schweden schon. Dort werden Geschlechterrollen nicht verstärkt, sondern aufgeweicht.
Knapp neun Monate vor Inkrafttreten des gesetzliches Rechtsanspruchs gibt es bundesweit 220.000 Kita-Plätze zu wenig. Die Städte befürchten Kita-Klagen.
In Karin Polats Kita betreuen drei Erzieherinnen 16 Kinder, sie hätte lieber kleinere Gruppen. Doch der Trend geht in die andere Richtung. „Schrecklich“, sagt die Kita-Leiterin.