taz.de -- Vergewaltigung in Indien: Versprechungen, Versprechungen
Nach der breiten Debatte um Gewalt gegen Frauen will die indische Politik nun ein neues Gesetz erlassen. Auch eine Onlinedatenbank für Sexualstraftäter wird diskutiert.
DELHI taz | Indiens Politiker haben die Vergewaltigung inmitten der Hauptstadt lange ignoriert. Erst tagelange Proteste und mediales Dauerfeuer bewegten Premierminister Manmohan Singh schließlich zu einer öffentlichen Reaktion. Dann allerdings ging es Schlag auf Schlag: Die Regierung berief zwei hochrangig besetzte Kommissionen. Sie sollen die bestehende Gesetzeslage bei Sexualstraftaten und mögliche Verfehlungen der Behörden im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt überprüfen.
Ein mögliches neues Gesetz gegen Vergewaltigung soll nach der nun verstorbenen Studentin benannt werden, die im Dezember Opfer von sechs Männern wurde. Noch ist ihr Name nicht öffentlich bekannt. Ihre Familie zeigte sich dem Vorhaben gegenüber Medien jedoch aufgeschlossen.
Das Innenministerium verkündete nun, es wolle eine Onlinedatenbank von verurteilten Sexualstraftätern einrichten – mit Bildern, Namen und Adressen, um die Männer gesellschaftlich zu ächten. Kritiker verurteilten den Vorstoß allerdings als populistisch und gefährlich. Jemand im Internet an den Pranger zu stellen, könnte Racheakte der Bevölkerung provozieren, denen womöglich auch Unschuldige zum Opfer fallen, hieß es. Ob die Bundespolizei die öffentliche Datenbank tatsächlich erstellt, ist noch unklar.
Die frühere Ministerpräsidentin des Bundesstaates Uttar Pradesh, Mayawati, warb dafür, keine Parlamentskandidaten mehr aufzustellen, die sich mit Vergewaltigungsvorwürfen konfrontiert sehen. Nach Medienberichten sind allein in Uttar Pradesh gegen 30 Prozent aller Landtagsabgeordneten polizeiliche Ermittlungen anhängig, auch wegen Sexualstraftaten.
Das Interesse ist zu groß
In Delhi soll derweil ein Krisenstab Vorschläge erarbeiten, um die Millionenmetropole sicherer für Frauen zu machen. Die Ministerpräsidentin der Millionenmetropole, Sheila Diskhit, forderte nun, die Polizeikräfte der Hauptstadt ihrem Verantwortungsbereich zu überstellen, um so eine effiziente und bürgernahe Arbeit zu gewährleisten. Noch unterstehen Delhis Polizisten direkt dem Innenminister.
Dieser Kompetenzstreit zeigt, wie schwierig politischer Wandel ist. Es wäre jedoch falsch, den Verantwortlichen Reformwillen gänzlich abzusprechen. Einfach wieder zur Tagesordnung übergehen könnten sie nicht, denn das öffentliche Interesse an Themen wie Gewalt gegen Frauen und der Rolle von Frauen und Mädchen in der Gesellschaft ist anhaltend groß.
3 Jan 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine Kampagne in Frankfurt soll Vergewaltigungsopfer dazu bewegen, sich im Krankenhaus untersuchen zu lassen. Viele trauen sich nicht.
Eine indische Komikergruppe karikiert verbreitete Begründungen, mit denen Frauen für Vergewaltigungen verantwortlich gemacht werden.
Ein Gericht hält die vier Angeklagten für schuldig, verhängt aber noch kein Strafmaß. Die Angehörigen fordern die Todesstrafe, die Verteidigung will Berufung.
Nirgendwo ist die Gewalt gegen Frauen in Indien größer als innerhalb und gegenüber den sozialen Unterschichten. Doch sie ist auch in den Mittelschichten verbreitet.
Der Freund des verstorbenen Opfers erhebt Vorwürfe gegen die Polizei. Diese hätte die Verletzten erst nach zwei Stunden in die Klinik gebracht.
Indien wartet darauf, dass den Peinigern des ermordeten Vergewaltigungsopfers der Prozess gemacht wird. Die Regierung kündigt an, gegen Vergewaltiger durchzugreifen.
Mittwoch Nacht soll ein indischer Politiker eine Frau in einem Dorf vergewaltigt haben. Der Mann wurde von den Bewohnern verprügelt und der Polizei übergeben.
Fünf Männer sind wegen der Vergewaltigung in Delhi wegen sexuellen Missbrauchs und Mord angeklagt worden. Doch kein Anwalt will sie verteidigen.
Drei Wochen nach der Gruppenvergewaltigung einer jungen Inderin soll Anklage gegen die Beschuldigten erhoben werden. Ihnen droht die Todesstrafe.
Viele InderInnen empören sich über eine Vergewaltigung in ihrem Land, die zum Tod des Opfers führte. Wir reden drüber. Aber wann empören wir uns mit?
In Indien gedenken tausende Menschen der verstorbenen vergewaltigten Studentin. Die Regierung lädt erstmals zu Treffen mit Frauengruppen.