taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Die Software, die Verrückte macht
Als Freiberufler kommt man an ELSTER, der elektronischen Steuererklärung, nicht vorbei. Wenn man mit ihr fertig ist, möchte man ein paar Finanzämter anzünden.
Anders als quasi alle Menschen mache ich Steuererklärungen eigentlich ganz gerne: Honorare und Auslagen in Excel-Tabellen sammeln, übertragen und zusammenzählen ist wie Zen. Und Formulare, die klar vorgeben, an welche Stelle man welche Ziffer schreiben soll, sind eine angenehme Kontrastbeschäftigung zu leeren Word-Dokumenten, in denen man an jeder Stelle jedes Zeichen schreiben darf. Wo also ist das Problem?
Das Problem heißt [1][ELSTER Online], die – knickknack, Akronym! – ELektronische STeuerERklärung. Ein Zeichen der deutschen Finanzämter, im Online-Zeitalter angekommen zu sein, ein Angebot… nein, eben gerade KEIN Angebot. Jedenfalls nicht, wenn man als Freiberufler Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen machen muss. Die gehen nämlich nur noch mit Elster. Auf Papier ist es verboten. Verboten! Und Elster ist die Hölle, die digitale Version vom „Haus, das Verrückte macht“, aus „Asterix erobert Rom“, speziell wenn man einen Mac nutzt (was unter Freiberuflern gar nicht so selten vorkommt, wie man hört).
Schon die Registrierung besteht aufgrund der absurden Sicherheitsmaßstäbe von Elster aus einem mehrteiligen Verfahren, das einen 20-stelligen Aktivierungscode und einen Brief und eine weitere PIN beinhaltet – Holm Friebe hat diesen Wahnsinn schon 2006 in der Berliner Zeitung [2][dokumentiert].
Danach muss man ein Zugangszertifikat im .pfx-Format auf dem Computer abspeichern, das man, wenn man sich ein Quartal später erneut anmelden will, natürlich nicht mehr wiederfindet. Außerdem kann man sich das selbstgewählte Passwort, wenn man es nicht mehr weiß, auch nicht zumailen lassen. Man muss dann das gesamte Registrierungsverfahren von vorn starten. Immerhin hat man unendlich viele Eingabeversuche.
Selbst wenn man alles parat hat, läuft Elster nie (in Worten: nie!) auf Anhieb. Denn es basiert auf Java, fordert grundsätzlich immer die alleraktuellsten Versionen von allem ein, das Konzept „Abwärtskompabilität“ ist nicht bekannt. Bei meinem letzten Versuch der Umsatzsteuerquartalsanmeldung fürs Q4 2012 – das war am 10. Januar, am gleichen Tag empfahl übrigens das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik den Internetnutzern, Java wegen schwerwiegender Sicherheitslücken zu deaktivieren – lief Elster in meinen drei Browsern nicht.
Man könnte in so einem Moment natürlich [3][ELIAS] fragen, den – höhö, zwinkerzwinker – ELster-Informations-ASsistenten. Aber Elias ist ein dummer Roboter, der aussieht wie einer dieser MS-Office-Assistenten (erinnern Sie sich noch an [4][Clippy], die sprechende Büroklammer?) und der genauso unnütz ist.
Und die Umsatzsteuerjahreserklärung kann ich mit Elster Online gar nicht erst machen. Dafür braucht man das dazugehörige Offline-Programm und das gibt es nicht für Macs. Für das Steuerjahr 2011 wurde mir nach circa zehn Telefonaten mit dem Finanzamt noch als Ausnahmegenehmigung eingeräumt, es doch auf Papier abzugeben. Für 2012 muss ich vermutlich [5][Passierschein A38] vorlegen. Oder einen Windows-Rechner kaufen.
Das papierlose Büro galt jahrzehntelang als Utopie. Dank Elster wissen wir, dass es eine Diktatur sein wird.
1 Feb 2013
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