taz.de -- Kommentar Frankreich Werkschließung: Hollandes Luftnummer

Wenn es der französischen Regierung gelingt, ein Gesetz gegen Werkschließungen durchzukriegen, wäre das Problem nicht gelöst: Die wachsende Zahl der Arbeitslosen.
Bild: Wie viele Stunden diese Dame wohl arbeitet, der Präsident Hollande über die Schulter guckt?

Natürlich ist es empörend, wenn Konzerne trotz guter Gewinne Werke dichtzumachen drohen – wie der Reifenhersteller Goodyear in Frankreich oder Opel-Mutter General Motors in Deutschland. Gewiss werden dem französischen Präsidenten François Hollande die Sympathien vieler Wähler zufliegen, wenn er so etwas künftig einfach verbietet. Nur ist zweifelhaft, ob ein solches Gesetz einen über Hollandes Popularitätswerte hinausgehenden Nutzen hat.

Dass durch ein generelles Verbot von Werkschließungen nur Uraltindustrien am Leben gehalten und ein ökologischer Strukturwandel verhindert würden, weiß auch die Regierung in Paris. Sie will daher nur die Betreiber profitabler Werke verpflichten, einen Käufer dafür zu finden. Damit ist der Vorschlag aber eine Luftnummer.

Für Konzerne ist es ein Leichtes, Gewinne und Verluste so lange hin und her zu schieben, bis der jeweilige Standort als unprofitabel dasteht. Das zeigt sich seit Langem bei der Unternehmensbesteuerung. Seltsamerweise fallen die Gewinne regelmäßig in Steueroasen an, die Verluste aber in Ländern wie Frankreich oder Deutschland. Warum sollte das anders sein, wenn es um Werkschließungen geht?

Aber selbst wenn es gelänge, das Gesetz wasserdicht zu machen, wäre wenig gewonnen. Für die betroffenen Arbeitnehmer ist es fraglos schlimm, wenn ihr Werk geschlossen wird. Aber genauso schlimm ist die Situation für die viel größere Zahl von Menschen, die erst gar keinen Job bekommen, weil multinational agierende Unternehmen ihre Investitionen anderswo tätigen. Dagegen helfen keine plumpen Verbote.

Stattdessen müssen endlich soziale und ökologische Standards in der Weltwirtschaft durchgesetzt werden. Aber eine solche Politik bedeutet Detailarbeit – und die ist der französischen Regierung wohl nicht publicityträchtig genug.

13 Feb 2013

AUTOREN

Nicola Liebert

TAGS

Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich
30-Stunden-Woche
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Frankreich

ARTIKEL ZUM THEMA

Arbeitszeitverkürzung in Frankreich: Mehr Jobs für Geringqualifizierte

Weniger arbeiten ohne Lohnverlust, wie geht das? Gehen da nicht Arbeitsplätze verloren? Ein Blick nach Frankreich liefert Erklärungen.

Arbeitnehmerrechte in Frankreich: Staat will Fabriken offen halten

Unternehmen sollen profitable Standorte in Frankreich nicht mehr schließen dürfen. So jedenfalls will es die Regierung in Paris und plant ein entsprechendes Gesetz.

Kommentar 30-Stunden-Woche: Notwendiges Schmuddelkind

Die 30-Stunden-Woche könnte die Arbeitslosigkeit senken. Eine Debatte ist überfällig, die Gewerkschaften müssen sich des Themas annehmen.

Symbolträchtige Niederlage für Hollande: Verfassungsrat stoppt Reichensteuer

Die politische Eile und Unfähigkeit der Regierungsparteien bei der Abfassung des Gesetzes ermöglicht dem Verfassungsrat, die „Reichensteuer“ vorerst zu kippen.

Hollande will mit Steuern lenken: Konzerne schonen, Bürger besteuern

Französische Großunternehmen sollen weniger Abgaben zahlen. Dafür steigt die Mehrwertsteuer. So will der Sozialist Hollande sein Land nach vorne bringen.