taz.de -- Streit der Woche: „Merkels Zeit läuft ab“
Die Kanzlerin ist nicht unser Schicksal, findet Katrin Göring-Eckardt. Komiker Urban Priol glaubt, Merkel warte einfach, bis Gott sie zu sich holt.
Katrin Göring-Eckardt glaubt nicht daran, dass Angela Merkel das Schicksal der Deutschen ist. Die Spitzenkandidatin der Grünen schreibt in einem Gastbeitrag in der aktuellen sonntaz: „Mir ist so eine Schicksalsergebenheit fremd.“ Politik sei Gestaltungsmacht auf Zeit und die Zeit laufe ab für Merkel. Die Alternative sei grün.
In letzter Zeit war es allerdings schwer, in Bezug auf die Kanzlerin nicht an Schicksal zu glauben. Aus einer Forsa-Umfrage ging Angela Merkel als beliebteste deutsche Politikerin hervor und ihr Konkurrent Steinbrück verhaspelte sich mit seinen Vergleichen von Politikern und Clowns. Da wird man doch lieber noch eine Weile von der „Mutti“ regiert, die einst „Kohls Mädchen“ war – und durchaus den Eindruck macht, als würde sie ähnlich lange wie ihr „Ziehvater“ im Amt bleiben.
Die Psychoanalytikerin Thea Bauriedl schreibt in der sonntaz, dass die Kanzlerin eine Sicherheit ausstrahle, nach der sich die Deutschen sehnen: „So, wie sich unsere ,Mutti' nun verhält, verändert sich nichts – nur ihre Handhaltung, die Raute, nachdem sie deswegen kritisiert wurde.“ Merkel nehme ihren Kindern jede Sorge vor der Zukunft. „Die ,Gefangenschaft im Gleichen' ist so lange unser Schicksal, wie wir selbst eine grundlegende Veränderung fürchten.“ Sie schlägt vor: den Rockzipfel vielleicht mal loslassen.
Auch Komiker Urban Priol ruft die BürgerInnen auf, am 22. September mit ihrer Wählerstimme ein bisschen Schicksal zu spielen – auch wenn die Kanzlerin wohl nicht mehr mit einer Abwahl rechne: „Sie wartet einfach, bis der Schöpfer sie abberuft.“ Wer hier der Schöpfer ist, macht Priol auch deutlich, wenn er Merkel als „Erfindung von Bertelsmann und Springer“ bezeichnet, ein „Natterngezücht“, an deren „Busen die ,mächtigste Frau der Welt' genährt wird.“
Merkels Macht hängt allerdings auch maßgeblich von möglichen Koalitionspartnern ab. Der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme weist auf Schwierigkeiten mit der FDP hin und deutet einen möglichen Kompromiss an: die große Koalition. „Man wird gelegentlich den Eindruck nicht los, dass die ein von ihr selbst bevorzugtes Schicksal ist.“
Die sonntaz-Frage „Ist Merkel unser Schicksal?“ beantworten außerdem Silvana Koch-Mehrin (FDP), Gertrud Höhler, Autorin der Merkel-Abrechnung „Die Patin“ und Ulrike Guérot, die das Berliner Büro des European Council von Foreign Relations leitet – in der [1][sonntaz vom] [2][9./10. März 2013].
9 Mar 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der langjährige CDU-Spitzenpolitiker Ole von Beust hat eine Erklärung für die anhaltende Beliebtheit der Kanzlerin. Es hat nicht unbedingt mit Politik zu tun.
In Umfragen liegt Angela Merkel vorne, die Ansichten der CDU sind mitunter nicht konservativer als die der SPD, aber eine richtig gute Alternative ist nicht in Sicht.