taz.de -- Videoüberwachung im Schwimmbad: Unter Beobachtung

Besucher des Hildesheimer Spaßbades können künftig entscheiden, ob sie sich sich beim Umziehen und Sachenwegschließen filmen lassen wollen oder nicht.
Bild: Grade guckt keiner: Viele Schwimmbäder haben jedoch Überwachungskameras.

41 Kameras überwachen derzeit noch die Räume des Schwimmbades „Wasserparadies“ in Hildesheim – vom Eingang über die Umkleidebereiche bis zu den Schwimmbecken wird alles gefilmt und die Daten werden 72 Stunden lang aufgehoben. Bis spätestens Ende April müssen zehn dieser Kameras nun abgebaut werden, um im Bereich der Umkleiden und Spinde einen beobachtungsfreien Raum zu schaffen. „Wer sich beim Umziehen nicht filmen lassen will, hat also künftig die Wahl“, sagt Michael Knaps vom Landesdatenschutz Niedersachen.

Im vergangenen Juli hatte sich ein Mann in einer Umkleidekabine des Wasserparadieses an einem neunjährigen Mädchen vergriffen und konnte mit Bildern aus den Überwachungskameras überführt werden. Der Betreiber eines anderes Schwimmbades, der einige Kameras aus datenschutzrechtlichen Gründen hatte abschalten müssen, beschwerte sich daraufhin beim Landesdatenschutz und erwirkte eine Kontrolle der Hildesheimer Spaßbad-Kameras.

„Eine rein präventive Wirkungen haben Kameras, wie auch der bedauerliche Einzelfall des sexuellen Übergriffs zeigt, nicht“, sagt Knaps. Täter ließen nicht von Kameras abschrecken und gerade der Bereich der Spinde, wo sich viele Badbesucher auch umziehen würden, sei sensibel. „Kameras, die einen so privaten Bereich filmen, müssen schon eine Interventionsmöglichkeit bieten“, sagt Knaps. „Sie müssen also an einen Monitor angeschlossen sein, damit eingegriffen werden kann, wenn etwas passiert.“

Acht Wochen haben die Badbetreiber nun Zeit, um umzurüsten. Die Bilder von 18 der verbleibenden 31 Kameras werden dann laut Badbetreiber künftig auf einem Monitor im Kassenbereich zu sehen sein – die Mitarbeiter sollen die Bilder im Blick haben.

Vor 14 Jahren wurden die ersten Kameras im Bad aufgehängt, um kleinere Delikte wie das Aufbrechen der Spinde zu verhindern. Nach und nach kamen immer mehr Kameras hinzu „um einen guten Sicherheitsstandard im Bad zu gewährleisten“, sagt Katrin Groß, Pressesprecherin vom Wasserparadies. Die vielen Kameras seien der verwinkelten Architektur des Bades geschuldet.

Nach dem Missbrauchsfall im vergangenen Sommer hatte das Bad eine Umfrage unter den Gästen gestartet – 243 Gäste machten mit, nur zwei waren gegen die Kameras. „Die Überwachung ist also im Sinne unserer Besucher“, sagt Groß. Dass die Bilder aus den Kameras künftig auf einem Monitor zu sehen seien müssen, habe Groß überrascht. Man habe sich bewusst gegen das so genannte Echtzeit-Monitoring entschieden, weil „wir dachten, es greife eher in die Privatsphäre ein, wenn die Bilder von Frau Schmidt beim Umziehen auf einem Monitor zu sehen sind“, sagt sie. Die Datenschützer sahen das anders.

Nils Zurawski, Soziologe am Institut für Kriminologie an der Uni Hamburg, hält Überwachungskameras im Schwimmbad für kein angemessenes Mittel, um Sicherheit zu schaffen. „Die Opfer von Missbrauchsfällen werden, wie wir auch hier wieder gesehen haben, durch Kameras nicht geschützt“, sagt Zurawski. Wirkungsvoller wären Aufklärungsmaßnahmen, mehr Kontrollen durch das Personal und etwa eigene Kabinen für Jungen und Mädchen.

13 Mar 2013

AUTOREN

Ilka Kreutzträger

TAGS

Boston
Datenschutz
Polizei

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Videoüberwachung: Handy ersetzt Überwachungskamera

Die zunehmende Digitalisierung führt unweigerlich dazu, dass wir immer mehr Spuren hinterlassen. Zusätzliche Systeme zur Überwachung sind überflüssig.

Kommentar Videoüberwachung in Schwimmbädern: Es fehlt an rechtlichen Standards

Was bei der Überwachung durch die Polizei haarklein geregelt ist, bleibt im privaten Bereich eher schwammig. Dabei gäbe es gerade in Schwimmbädern Möglichkeiten, die Technik sinnvoll einzusetzen.

Datenschutz am Arbeitsplatz: Offene Videoüberwachung stärken

FDP und CDU treffen sich zu einem Gespräch zum Datenschutz am Arbeitsplatz. Heimliche Überwachung soll verboten, offene erleichtert werden.

Aktion gegen Videoüberwachung: Dem Staat das Augenlicht nehmen

Linke Aktivisten rufen in Berlin dazu auf, Kameras im öffentlichen Raum zu „entwerten“. Der Staatsschutz ist alarmiert.

Videoüberwachung im öffentlichen Raum: Kameras an der Rolltreppe

In Geschäften wird immer häufiger gefilmt, ohne dass die rechtlichen Fragen geklärt sind. Jetzt geht der Streit bei einem Hamburger Einkaufszentrum weiter - und vielleicht bald vor Gericht.

Gutachten zur Wirksamkeit: Videoüberwachung taugt nicht

Die Hamburger Innenbehörde hat eine Wirksamkeitsanalyse zur Kameraüberwachung auf der Reeperbahn erstellt. Das Ergebnis: Gewalttaten sind seit der Einführung um ein Drittel gestiegen.