taz.de -- Kommentar Polizeieinsatz in Neumünster: Ein falsches Signal

Der Polizeieinsatz in Neumünster war völlig unverhältnismäßig. Die rot-grüne Landesregierung sollte dafür sorgen, dass die Eskalation ein Ausrutscher bleibt.
Bild: Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt (l.) sieht vertrauenswürdig aus – sind es auch seine Ermittler?

Pfefferspray und Knüppel gegen Straßenblockierer, die für Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik auf die Straße gehen – der Neumünsteraner Polizeieinsatz war nicht nur jenseits der Verhältnismäßigkeit, er setzt auch ein falsches Signal.

Seit der Norden von Flensburg bis Göttingen rot-grün oder rot pur regiert wird, bietet sich auch die Chance, hier die Flüchtlingspolitik zu reformieren und erste Signale sind gesetzt: Die Residenzpflicht wackelt, Familien sollen nicht mehr wahllos auseinandergerissen werden, Abschiebungen im Morgengrauen von der Agenda verschwinden.

Die politische Prämisse lautet: Flüchtlingspolitik soll nicht nur allein der Abschreckung dienen, sie nimmt auch die Lebenssituation der Flüchtlinge in den Blick, versucht Härten zu vermeiden und lotet gesetzliche Spielräume auch mal im Sinne der Asylbewerber aus. Gefragt ist ein neuer Umgang mit Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, aber auch ein partnerschaftlicherer Umgang des Staates mit denen, die sich für die Interessen der Flüchtlinge einsetzen.

Hier aber hat das Muskelspiel der Ordnungsmacht alte Verkrustungen zementiert. Eine Kriminalisierung der Aktivisten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte setzt nicht auf Tauwetter sondern auf eisigen Frost. Rot-Grün in Schleswig-Holstein sollte schnell dafür sorgen, dass die Neumünsteraner Eskalation ein Ausrutscher bleibt und stattdessen die Flüchtlingspolitik des Landes umfassend neu gestalten.

19 Mar 2013

AUTOREN

Marco Carini

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Polizei Berlin

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