taz.de -- Neonazi-Netzwerk im Knast: Geheime Kontakte zum NSU

In deutschen Gefängnissen ist ein rechtsextremes Netzwerk entdeckt worden. Mit verschlüsselten Botschaften soll es versucht haben, Kontakte zum NSU zu knüpfen.
Bild: „Die Übermacht der Demokratie“: Feind jeden Bürgers!

BERLIN/WIESBADEN dpa | Ein rechtsradikales Netzwerk in deutschen Gefängnissen hat versucht, Kontakt zum Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) aufzunehmen. Entsprechende Berichte der Süddeutschen Zeitung und der Bild-Zeitung und bestätigte der Sprecher des hessischen Justizministeriums, Hans Liedel, am Mittwoch. „Es gab wohl diesen Versuch“, sagte er. Angaben zu Details wollte er zu einem späteren Zeitpunkt machen.

Unter Berufung auf Ermittlerkreise, Mitglieder der von den hessischen Justizbehörden entdeckten Organisation hätten offenbar schriftlichen Kontakt mit NSU-Kreisen gepflegt, schreibt die Bild-Zeitung. Das habe eine Auswertung des Beweismaterials ergeben, das bei Zellendurchsuchungen in hessischen Strafanstalten in den vergangen Wochen sichergestellt wurde.

Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hatte am Dienstag bestätigt, dass in den vergangenen Wochen Zellen durchsucht und Postsendungen überprüft worden seien. Es habe eine verschlüsselte Kommunikation in der Post von Gefangenen gegeben, um Kontakt von hessischen Justizvollzugsanstalten in Gefängnisse anderer Bundesländer aufzunehmen. Dabei gehe es um Personen, die dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet werden können.

Die Süddeutsche berichtete, dass in Hessen die Kontrollen bei Gefangenen verschärft wurden. Vollzugsbeamte sollten fortgebildet werden, um rechtsextremistische Umtriebe schneller unterbinden zu können. Rechtsextremisten träten im Vollzug zunächst meist angepasst auf, ihre konspirative Arbeit sei daher nicht leicht zu erkennen.

Zu den Männern, die derzeit im Verdacht stehen, aus dem Gefängnis heraus ein Netzwerk etabliert zu haben, zählt nach Angaben der Zeitung auch ein 38-Jähriger aus Hessen, der schon bei den NSU-Ermittlungen eine Rolle gespielt haben soll. Er habe im Dezember 2011 – kurz nach dem Auffliegen der NSU-Terrorzelle – angeboten, „Informationen über diverse Netzwerke“ zu beschaffen. Er will 2006 auch die beiden NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Kassel getroffen haben.

10 Apr 2013

TAGS

Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt Neonazis
Terrorismus
Gefängnis
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Schwerpunkt Neonazis
Nazis
Sabah
NSU-Prozess
NSU-Prozess

ARTIKEL ZUM THEMA

Rechtsextreme in Vollzugsanstalten: Knastnazi-Netzwerke unerwünscht

In allen Bundesländern soll nach Neonazi-Netzwerken in Gefängnissen gefahndet werden, fordern Politiker. Nicht nur die Resozialisierung soll verbessert werden.

Kommentar Nazis im Gefängnis: Schöner Schmutz in Haft

Rechtsextreme sollen aus Gefängnissen heraus ein Netzwerk für inhaftierte Nazis gebildet haben. Doch im Knast sind Nazis nicht das Hauptproblem.

Chefredakteur über den NSU-Prozess: „So unauffällig wie möglich“

Die türkische Zeitung „Sabah“ klagt vor dem BVerfG wegen der Platzvergabe beim NSU-Prozess. Chefredakteur Mikdat Karaalioglu erklärt, warum.

Bericht über Verfassungsschutz: Folgenlos geschreddert?

Verfassungsschutz hat seine geschredderten Akten rekonstruiert. Ein NSU-Bezug sei nicht ersichtlich, heißt es in einem Bericht. Senator will Affäre nun abschließen.

Akkreditierungen zum NSU-Prozess: Deutsche Muslime wollen dabei sein

Aiman Mazyek, Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime, fordert beim NSU-Prozess Plätze für türkische Medien, Botschafter – und für sein eigenes Gremium.

Journalistenplätze im NSU-Prozess: Türken klagen um drei vor zwölf

In letzter Minute hat die Zeitung „Sabah“ Beschwerde gegen die Platzvergabe im NSU-Prozess eingereicht. Hat sie Erfolg, verschiebt sich vielleicht der Prozessauftakt.