taz.de -- Kommentar Bangladesch: Spielball der Parteien
Es ist überraschend, dass die Islamisten soviele Menschen auf die Straße bringen konnten. Doch, dass sie in naher Zukunft die Macht übernehmen, ist unwahrscheinlich.
Die Bilder der Islamisten-Demonstration in Bangladesch sind beeindruckend; dass die Islamisten so viele Menschen mobilisieren können, war eine der Überraschungen der vergangenen Wochen. Aber trotz der kämpferischen Rhetorik ist es unwahrscheinlich, dass Islamisten in naher Zukunft die Macht übernehmen.
Die Eliten des Landes leben in den Städten. Sie leben einen moderaten Islam und sind häufig in ihrer Bildung vom Westen geprägt. Frauen sind selbstbewusste Teile der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft.
Und dennoch: Die Zahl der Islamisten in Bangladesch steigt. Das Land leistet sich kaum Sozialprogramme; so sind Koranschulen für viele der Ärmsten ein guter Ort, um Kinder unterzubringen. Hier rekrutieren die islamistischen Parteien, allen voran die Jamaat-e-Islami (JI), die seit einigen Jahren auch angefangen hat, Studierende in den Privatunis anzusprechen.
Und so erklären sich für viele in Dhaka auch die riesigen Menschenmengen bei den Demos: Sie müssen wohl herbeigefahren worden sein.
Die Hefajat-e-Islam (HI) füllt derzeit eine Lücke, die die Jamaat-e-Islami hinterlassen hat, nachdem drei ihrer Politiker als Kriegsverbrecher verurteilt wurden.
Aber vermutlich ist die HI, von der viele Menschen erst vor wenigen Wochen gehört haben, nur ein Spielball der zwei Volksparteien im Wahlkampf. Die konservative BNP, die lange mit JI koalierte, will weiterhin die gläubige Bevölkerung auf dem Land ansprechen.
Und auch die regierende Mitte-links-Partei Awami-Liga scheint die HI zumindest tolerieren zu wollen: Die Demonstration wurde immerhin genehmigt – ein Recht, das Oppositionsparteien nur selten gewährt wird. Ihr nützt wohl die Gewalt, die die Islamisten regelmäßig ausüben, um sich selbst als moderate Alternative anzubieten.
6 May 2013
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