taz.de -- Kommentar Homophobie in Russland: Die russische Jagd

Das Gesetz über ein Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“ wurde von der Duma verabschiedet. Es stärkt Putins Macht nicht.
Bild: Hass wird legal: Schwulenrechte-Aktivisten demonstrieren in Moskau.

Die russische Duma nickt in der Regel stumpf die Vorgaben des Kremls ab. Auch diesmal sind sich die Abgeordneten treu geblieben und haben für das Gesetz über ein Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“ gestimmt. Damit ist sichergestellt, dass die Jagd auf Schwule und Lesben gnadenlos weitergehen wird.

Sie bekommen ohnehin täglich die Verachtung der Gesellschaft zu spüren. Sie werden diskriminiert, ausgegrenzt, als krank und abartig verunglimpft. Und manchmal sogar umgebracht, wie das Beispiel zweier Schwuler zeigt, die unlängst auf der Straße totgeschlagen wurden.

Das alles passiert mit dem Segen der orthodoxen Kirche, die diesen Hass tatkräftig befeuert – genauso wie Staatspräsident Wladimir Putin und seine Vasallen. Derzeit ist ein neues Gesetz in Vorbereitung, dass ausländischen homosexuellen Paaren die Adoption russischer Waisenkinder verbietet. Dass der Kreml auch davor nicht zurückschreckt, die Schwächsten der Schwachen zu benutzen, um auf einen „Gegner“ politischen Druck auszuüben, wissen wir spätestens seit dem Adoptionsverbot für US-Amerikaner als Folge des Magnitsky Acts.

Aber beim jüngsten Gesetz geht es nicht nur darum, sich an einer sexuellen Minderheit abzuarbeiten. Es geht darum, Anpassungsdruck auszuüben auf alle, die nicht auf Linie sind, nicht in das Weltbild der Machthaber passen: politische Gegner, Künstler, aber auch Wissenschaftler wie die unbequemen Soziologen des Lewada-Instituts.

Eine Regierung, die derart agiert, fühlt sich nicht nur bedroht, sondern ist sich ihrer selbst nicht sicher. Genau aus diesem Grund werden die Repressionen vorerst weitergehen. Aber unabhängig davon, wer die nächsten Opfer sein werden: Aufhalten wird das den Verfall des Regimes Putin auf keinen Fall.

12 Jun 2013

AUTOREN

Barbara Oertel

TAGS

Russland
Homophobie
Repression
Gesetz
Russland
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Sotschi 2014
Moskau
Homophobie
Russland

ARTIKEL ZUM THEMA

Protest gegen russische Homo-Politik: Wodka-Boykott erreicht Deutschland

Eine Berliner Homo-Bar schenkt keinen russischen Wodka mehr aus. Sie protestiert gegen die Unterdrückung von Homosexuellen. Die sind dankbar, aber auch skeptisch.

Kolumne Press-Schlag: Verwunschener Regenbogen

Homosexuellen Sportlern droht bei den Olympischen Spielen in Sotschi eine strafrechtliche Verfolgung. Auf Hilfe des IOC können sie nicht hoffen.

Winterspiele in Sotschi 2014: Homo-Propaganda bleibt verboten

Der Minister stellt klar: Auch während Olympia gelten die russischen Anti-Homo-Gesetze. Das IOC hatte kürzlich noch mitgeteilt, Russland werde das Gesetz aussetzen.

LGBT-Bewegung unter Putin: Schwul, russisch, optimistisch

Die Weltgemeinschaft kritisiert die Homophobie in Russland. Die russische Gay-Bewegung freut sich schon über kleine Erfolge.

„Homosexuellen-Propaganda“ in Russland: Anzeigen wegen Rowdytums

Aktivisten protestierten in St. Petersburg gegen das von Putin unterzeichnete „Homosexuellen-Propaganda“-Gesetz. Gegner griffen sie mit Eiern und Rauchbomben an.

Proteste in Russland: Marschieren gegen die Henker

Tausende gehen in Moskau auf die Straße. Sie wenden sich gegen die Verhaftung von rund 30 Aktivisten und deren bevorstehende Schauprozesse.

Hetero-Wahn in Russland: Wo Homophobie noch Mainstream ist

Die Staatsduma verabschiedet ein Verbot von „Homosexuellen-Propaganda“. Fortan leben russische Schwule und Lesben an der Grenze der Legalität.

Homophobie in Russland: Erneut Mann getötet

Homosexualität ist in Russland seit 1993 nicht mehr strafbar, aber gesellschaftlich stigmtisiert. Der Hass auf Schwule forderte jetzt ein neues Opfer.