taz.de -- Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Gaucks größter Fan heißt Gauck, Kristina Schröder rockt, und die Kanzlerin zündelt erfolgreich am Wirtschaftszweig Internet.
Bild: Barack 'n Berlin: Jackett-Auszieher und Weißwein-Trinker.

Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?

Friedrich Küppersbusch: Laut Rechnungshof schönt die Arbeitsagentur ihre Vermittlungserfolge.

Was wird besser in dieser?

Ab sofort darf sich nur noch arbeitslos melden, wer einen neuen Job in Aussicht hat.

Barack Obama war in Berlin und hat sein Jackett ausgezogen. Große Geste?

US-Nachrichtensender stellten sogleich Betrachtungen an, ob gleißende Sonne oder ein technischer Defekt seine Teleprompter abgeschossen hätten und Obama die Jackensache also gemacht habe, um den Technikern Reparaturzeit zu verschaffen. Half nix, er las für seine Verhältnisse fahrig vom Blatt. Amerikas führendes Hasskäppchen Rush Limbaugh folgerte in seiner Radioshow, Obama müsse promptern, andernfalls er ehrlich rauspladdern könnte, was er denke: Kommunismus, Islamismus, Gesundheitsreform als Euthanasie. Zusammen mit NSA und Kriegsgelüsten in Syrien wirkte Obama wie der versehentlich mental heile gebliebene Spross von Familie Paranoia.

Bundespräsident Gauck war bei Obamas Stippvisite zu Tränen gerührt. Ist Joachim Gauck ein Fanboy?

Gauck ist sich selbst noch stets der größte Fan. So genießt er seine überraschende Teilnahme an Ereignissen und kommt deutlich unverkrampfter rüber als die Kanzlerin, der Körperkontakt eine Fremdsprache bleibt. Gauck freut sich über Obamas Schultergriff, Merkel ging das Küsschenritual im Ehrenhof offensiv an mit einer „Dann habe ich das hinter mir“-Körpersprache. Völlig unseriöse Betrachtung, klar. Zugleich der einzige Blickwinkel, aus dem man einen Hauch Authentizität erspüren kann.

In Brasilien gehen die Menschen gegen die Fußballweltmeisterschaft auf die Straße. Sie fordern Investitionen ins Bildungs- und Gesundheitswesen und Schluss mit der Korruption. Funktioniert das Prinzip Brot und Spiele nicht mehr?

Man kann den Fluchtweg der Fifa – 2018 Russland, 2022 Katar – so lesen: Je totalitärer, desto besser passt ein Regime zu Entmündigungsmaschine Fifa. Im relativ wehrlosen Südafrika vermodern die steuerfinanzierten Balltempel von 2010 längst. Deutschland ging es 2006 einfach zu gut, um mehr als ein paar Witze über die Fifakratur zu machen. Organisatoren und neoliberale Ökonomen argumentieren mit der segensrechen Aufwertung eines Turniergastgebers. Waren wir schön blöd, mit der DDR zu fusionieren, statt eine Fifa-WM gegen sie zu verhängen.

Die Union hat in der vergangenen Woche ihr Wahlprogramm vorgestellt. Hat die CDU wirklich den besten Tierschutz?

Ach, komm. Die Kernworte heißen „Finanzierungsvorbehalt“ und „Koalitionspartner“. Letztes Mal hieß es: Atom bleibt, Wehrpflicht bleibt, Praxisgebühr bleibt, Altersarmutsrente kommt, Steuerreform kommt. Das alles steht im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb – mithin eine umfassende Sammlung exakt dessen, was die Regierung nicht gemacht hat. Warum soll man Nüchternheitsverheißungen eines Quartalssäufers diskutieren?

Familienministerin Schröder meint, familiärer ökonomischer Druck auf Kinder habe keine wissenschaftlich belegten negativen Effekte, wenn die Eltern ab und zu ein Liedchen anstimmen. Rockt das?

Ja. Umgekehrt ist übrigens der Mangel an elterlichen Gesangsbeiträgen besser auszuhalten, wenn Kinder ausreichend gutes Essen, einen Kindergartenplatz und klassenunabhängig Bildungschancen haben.

Der türkische Protest hat eine neue Ikone: Duran Adam, den stehenden Mann. Ist er ein Sinnbild für die Entwicklung des Aufstands?

Es ist ein Geniestreich. Das exakte Gegenteil von Erdogans Rede vor Hunderttausenden seiner Fans, zugleich eine Ikone und eine sehr klare Formulierung von gewaltfreiem Widerstehen. Kurz: eine asymmetrische Bedrohung.

Merkel bezeichnete das Internet letzte Woche als „Neuland“. Ist sie der Christopher Columbus der digitalen Welt?

Das war, neben vielem, ein Selbstmordanschlag auf einen Wirtschaftszweig. Chinesische oder amerikanische Wettbewerber haben ihre deutsche Konkurrenz jetzt amtlich als Hinterwäldler etikettiert bekommen. Merkel podcastet, bietet eine interaktive Kanzlersite und gibt hier mal die Feuerzangenbowlerin: „Watt is ne Internet? Da stelle mer uns mal janz dumm.“

Und was machen die Borussen?

Nehmen Eintritt beim ehedem gratis gefeierten Saisonauftakt. So soll eine versprochene Spende für Flutopfer finanziert werden. Was also natürlich keine Spende ist, bei Lichte betrachtet, sondern ganz einfach bei den Fans abkassieren bedeutet.

Fragen: EA/CF

23 Jun 2013

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