taz.de -- Kommentar BND und NSA: Die falsche Aufregung
Die Zusammenarbeit des BND mit der NSA ist kein Skandal. Dass die Regierung offenbar alles darüber wusste und der Bundestag nicht, ist einer.
Der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst benutzen eine Spähsoftware, die sie [1][vom US-Geheimdienst NSA erhalten] haben. Ist das ein Skandal? Die Herkunft der Software allein ist es sicher nicht. Entscheidend ist, wie sie in Deutschland genutzt wurde und wird. Geht es um die Überwachung von konkret verdächtigen Personen oder geht es um das anlasslose Massenscreening der gesamten Bevölkerung?
BND-Chef Gerhard Schindler hat sich jedenfalls festgelegt, dass im Jahr 2012 nur „zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger“ an die NSA übermittelt wurden. Das klingt eher nach einer Kooperation im Einzelfall.
Politisch relevanter dürfte sein, dass Schindler erst durchsetzte, Daten aus der Überwachung deutscher Staatsbürger an die USA zu liefern. Und dass darüber die Geheimdienstkontrolleure des Bundestags nicht informiert wurden.
Die Frage ist nun: Wusste die Bundesregierung von der engen deutsch-amerikanischen Geheimdienstkooperation oder wurde sie von den deutschen Diensten hintergangen. Letzteres ist eher unwahrscheinlich. Es ist kaum anzunehmen, dass die Geheimdienste in Deutschland ein so unkontrolliertes Eigenleben entwickeln. An der Spitze stehen mit Hans-Georg Maaßen (Verfassungsschutz) und Gerhard Schindler (BND) derzeit zwei ehemalige Ministerialbeamte aus dem Innenministerium.
Dort will man wohl die Befugnisse der Exekutive ausbauen und die parlamentarische und öffentliche Kontrolle in Grenzen halten. Damit sind die Geheimdienste aber eben nicht unabhängig von der Regierung, sondern Regierungsgeheimdienste, für die die Bundesregierung die volle Verantwortung hat. Es ist viel naheliegender, dass sie alles gewusst hat, als dass sie an der Nase herumgeführt wurde.
22 Jul 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Ganz sicher ist sich der deutsche Geheimdienst nicht: Aber seine Abhörtechnologien könnten Teil des amerikanischen Spionagenetzwerks sein.
Repubilkanische und demokratische Abgeordnete wollen die Befugnisse der NSA eingeschränken. Am Mittwoch befasst sich der Kongress mit der Forderung.
Wegen der Zusammenarbeit deutscher Behörden mit dem US-Geheimdienst gibt es erste Rücktrittsforderungen. Der Verfassungsschutz testet derzeit ein Spähprogramm.
Am US-Armeestützpunkt „Dagger Complex“ demonstrieren Aktivisten gegen Überwachung. Dazu aufgerufen hat ein angehender Fachinformatiker.
Die digitale Freiheitseinschränkung, die der PRISM-Skandal offenbart, ist unsichtbar. Darin bestehe die Gefahr. Beck plädiert für mehr „digitale Humanität“.
Die Bundesregierung begeht Verantwortungsflucht. Die Gesellschaft verharrt derweil in Duldungsstarre und übt sich in wissender Ironie.
In der letzten großen Pressekonferenz vor der Sommerpause soll es um wichtige Themen gehen. Doch die Kanzlerin wiederholt nur Selbstverständlichkeiten.