taz.de -- Kommentar Dopingstudie: Gleichgewicht der Aufbaumittel
Doping-Ungleichgewicht zwischen Ost und West? Mit diesem Vorurteil räumt die Doping-Studie der Humboldt-Universität auf.
Auch heute noch glauben viele Sportsfreunde, alle Athleten mit dem roten Brustring sind wahre Helden der Tartanbahn gewesen. Wenn die bundesdeutschen Sportler schneller waren als die DDR-Dopingfuzzis in ihren blauen Trikots, dann feierten sie auch einen moralischen Sieg über die Muskelprotze aus dem Osten, die ja nur so schnell waren, weil sie die blauen Pillen, das Muskelmastmittel Oral-Turinabol, in rauen Mengen geschluckt hatten.
Und der Deutsche Sportbund stellte gern heraus, wie großartig es doch sei, wenn bundesdeutsche Sportler allein mit Vollwertkost und forschem Training aufs Stockerl stürmen. Mit dieser Mär räumt [1][die Dopingstudie der Humboldt-Universität auf]. Sie beweist: Nicht nur im militärischen, sondern auch im sportlichen Bereich herrschte oft ein Gleichgewicht der Kräfte.
Allerdings hat die Monstrosität des DDR-Dopingstaatsplans 14.25 jahrelang überdeckt, dass es auch in Hamm, Fürth oder Frankfurt am Main Mittel und Wege gab. Die Systematik des Dopings im Westen war sicherlich eine andere. Hier wurde nicht mit höchster Akribie jeder A-Kader-Athlet mit Dopingsubstanzen versorgt und darüber Buch geführt.
Aber es gab auch eine staatlich finanzierte Dopingforschung. Es gab sanften politischen Druck. Und es gab Trainer und Athleten, die wussten, was zu tun war, um den Ostblock-Athleten ein paar Medaillen zu klauen. Sie haben es alle getan. Hüben wie drüben.
Merkwürdig nur, dass die (west)deutsche Gesellschaft erst 23 Jahre nach dem Mauerfall bereit zu sein scheint, sich dieser Wahrheit zu stellen. Vor allem der organisierte Sport tut sich schwer. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Sportbund und das Bundesinstitut für Sportwissenschaft hätten das 800 Seiten starke Dokument lieber ungelesen in einer Bibliothek verstauben lassen.
4 Aug 2013
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