taz.de -- Rechte Plattform in Dresdener Villa: Entmietung des deutschen Geistes

In einem Keller in dem Dresdner Nobelviertel Weißer Hirsch hat sich eine rechte Plattform eingemietet. Der Vermieter reagiert.
Bild: Elbufer in Dresden Loschwitz, unweit des Viertels Weißer Hirsch.

Kein Schild und kein Klingelknopf deuten auf die Nutzung der 65 Quadratmeter großen Kellerwohnung hin. Seit Kurzem sitzt im noblen Dresdner Stadtteil Weißer Hirsch das „Zentrum für Jugend, Identität und Kultur“. „Im Keller ist man vor linker Gewalt besser geschützt als im Ladenlokal“, sagt Felix Menzel. Er hat die Räume angemietet.

Der 27-jährige freundlich und offen wirkende Familienvater betrieb von seiner Heimatstadt Chemnitz aus bislang die Internetplattform „Blaue Narzisse“. Die hängt als gedruckte Plakatzeitung auch im Dresdner Schulungskeller. Menzel war auch führend in der „Pennalen Burschenschaft Theodor Körner“, die vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Doch vulgäre Hetze wie „Ausländer raus“ und platte Parolen wie „Arbeit nur für Deutsche“ ist nicht der Tonfall des Zusammenschlusses. Nein, man bemüht sich, gediegener, vermeintlich intellektueller daherzukommen und gegen alles Etablierte – Linkspartei ebenso wie CDU und die Alternative für Deutschland – zu wettern. 2010 hatte sich Menzel mit der Grünen Claudia Roth angelegt. Deren Beleidigungsklage kostete ihn eine Geldstrafe.

Menzel verfasste daraufhin die Broschüre „Politische Prozesse“ und hält Vorträge über die „Skandalokratie“. Für die NPD und ihre „Pseudointellektuellen“ wie Jürgen Gansel hat Menzel aber auch eher ein mitleidiges Lächeln. Im sogenannten Institut für Staatspolitik (IfS), in dem Menzel mitwirkt, stört man sich an NPD-Gästen jedoch nicht. Im Gegenteil, Gründungsmitglied Götz Kubitschek spricht offen über die Schulung des sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Arne Schimmer.

„Wir brauchen niemanden“

Felix Menzel hat große Ambitionen. Dafür wurde ihm sein Chemnitzer Wohnzimmer zu klein. Ein richtiges Büro, besser gleich ein „Zentrum“ in der sächsischen Hauptstadt sollte es schon sein. Menzel, der in Halle Politik- und Medienwissenschaften sowie Wirtschaft studierte und ein Diplom als Karate-Lehrer besitzt, beklagt das „Erodierende der deutschen Kultur“ und „fehlende Identifikationsmerkmale“. „Ich habe keine Angst vor anderen Kulturen“, betont er. Schränkt aber sogleich ein, dass die sorglose Einwanderungspolitik den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft gefährde. Er sagt: „Wir brauchen niemanden. Das deutsche Volk kann ruhig gesundschrumpfen.“

Doch Menzel redet und schreibt nicht bloß. Er gehört auch zur „Konservativ-Subversiven Aktion“ (KSA). Ihre Kennzeichen: Störaktionen, beispielsweise bei Günther Grass, weil der Autor den Deutschen angeblich einen „Schuldkomplex“ eingeredet hätte. Nun sollen im Dresdener Keller die „deutsche und die europäische Kultur“ verteidigt werden. Ein Konferenzraum, eine kleine Küche, Arbeitsplätze für zwei feste Mitarbeiter und einen Praktikanten.

Doch die Bücher – Klassiker der „Konservativen Revolution“, die in Fachkreisen teilweise als intellektuelle Wegbereiter in den Nationalsozialismus betrachtet werden – dürften sie bald wieder aus den Regalen räumen. Die jungen Leute sind dem Vermieter nämlich zu „ultrakonservativ“. Das habe er vor Vertragsabschluss nicht erkennen können, Vereinssatzung und Bonität habe ein Makler überprüft. Jetzt kündigte der Vermieter an, den Mietern wieder zu kündigen.

13 Aug 2013

AUTOREN

Michael Bartsch
Andreas Speit

TAGS

Dresden
Neue Rechte
CDU
NPD
Schöneweide
Bürgerbewegung

ARTIKEL ZUM THEMA

Neurechte besetzen SPD-Zentralen: Kletternde Islamfeinde

In Hamburg und Berlin haben Mitglieder der neurechten „Identitären Bewegung“ die Balkone der SPD-Zentralen besetzt. Der Staatsschutz ermittelt.

Dresdner Waldschlösschenbrücke: Bauen um jeden Preis

Gegner der Elbbrücke wollen der Einweihung am Wochenende fernbleiben. Die triste Konstruktion kostete das Elbtal den Unesco-Welterbetitel.

Rechtsextrem in Pommern: Die Unsichtbaren

Die Rechtsextremen in Vorpommern sehen ein mögliches Verbot der NPD gelassen. Warum, zeigt auch der Fall eines Feuerwehrführers und Gemeinderats.

Standortfrage: Kein Asyl im Nazi-Kiez

Treptow-Köpenick wehrt sich gegen ein Flüchtlingsheim in der Neonazihochburg Schöneweide. „Für die Flüchtlinge wäre das der blanke Horror“, sagt der Bürgermeister.

Anklage gegen Pro-Köln-Funktionäre: Gut bezahltes Gelaber

Die selbsternannte „Bürgerbewegung Pro Köln“ hat Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Den Rechtsextremen wird „gewerbs- und bandenmäßiger Betrug“ vorgeworfen.

Treffen der Hammerskins: Nazi-Bruderschaft aufgeflogen

Im niedersächsischen Werlaburgdorf musste die Skinhead-Gruppe Hammerskins ein „Familientreffen“ abbrechen. Die Polizei löste die Versammlung auf.