taz.de -- Wahlkampf der CDU: Redet bloß nicht wie sie!

Merkels Reden schläfern ein, sie meidet klare Aussagen. Die CDU rät ihren Wahlkämpfern in einem internen Papier lieber zur bildhaften Sprache.
Bild: Selbst eingeschläfert?

BERLIN taz | Die Kanzlerin liebt die einfache Sprache nicht, um es vorsichtig zu formulieren. Angela Merkels Rede fließt träge dahin wie ein trüber Fluss, der jeden klaren Gedanken langsam wegspült. Merkel meidet Polarisierungen, sie umschifft Festlegungen, sie schläfert die Zuhörer mit Schachtelsätzen ein, die so wenig sagen, dass sie schon wieder Kunstwerke sind.

Über Merkels diffuse Rhetorik und das Kalkül, das dahintersteht, wurde viel philosophiert. Es ist ja auch wirklich erstaunlich, wie erfolgreich sie damit ist, lieber zu verschleiern, als sich bei Festlegungen ertappen zu lassen. Umso bemerkenswerter ist, dass die CDU ihrer wahlkämpfenden Basis Klartext verordnet. Das belegt eine Broschüre mit dem Titel „Die richtigen Worte finden“, die die Marketingabteilung als Handreichung für ihre Wahlkämpfer verfasst hat.

Es ist ein Grundkurs auf 16 Seiten: Die CDU verstehen leicht gemacht. Pädagogisch wertvoll startet das Papier mit den fünf wichtigsten Tipps für eine gute Sprache. „Seien Sie persönlich!“, heißt es da – ein Brief an eine 70-jährige Berlinerin müsse anders aussehen als einer an einen 21-jährigen Kölner. „Sprechen Sie einfach, bildhaft, emotional!“, „Liefern Sie Information plus Emotion!“, und: „Überraschen Sie!“ Denn nichts sei wirkungsvoller als ein Aha-Effekt.

Spätestens an dieser Stelle seufzt man unwillkürlich. Hach ja, Emotionen, Bilder, Aha-Effekte, das wäre was. Die CDU sollte ihre Vorsitzende per Vorstandsbeschluss zwangsverpflichten, die eigenen Tipps zu beherzigen. Stattdessen merkelt Merkel munter drauflos. Als sie bei ihrer Sommerpressekonferenz im Juli gefragt wurde, ob sie dem Whistleblower Edward Snowden dankbar sei, dass er die Ausspähung des US-Geheimdienstes öffentlich gemacht hatte, redete Merkel eine geschlagene Minute lang. Und sagte: nichts.

Alles klar?

Aus Platzgründen hier nur ein Auszug: „Durch die Öffentlichmachung beschäftigen wir uns jetzt damit, und als Politikerin bin ich gegenüber der deutschen Bevölkerung verpflichtet, das zu tun, was in meinen Möglichkeiten steht […] Ich bin aber die Chefin der Regierung und muss zum Schluss den politischen Rahmen definieren und sagen: Was will ich? Und da will ich, dass auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten wird.“

Alles klar? Wenn Merkel die Broschüre ihrer Marketingprofis gelesen hat, weiß sie, was solche Antworten beim Publikum bewirken. „Ihr Gehirn ist knallharter Energiesparer“, schreiben sie weiter. „Der Leser oder Hörer wird nur am Ball bleiben, wenn es verständlich, interessant und relevant ist – sonst schaltet er ab.“

Wer einmal den Versuch gemacht hat, einer Regierungserklärung der Kanzlerin im Bundestag bis zum Schluss zuzuhören, weiß, dass sich sich eine gewisse Erschöpfung ziemlich schnell einstellt. Die CDU erklärt ihren eigenen Leuten also quasi unfreiwillig die Taktik ihrer Vorsitzenden. Geht es Merkel am Ende darum, dass die Zuhörer schnell abschalten?

Kurze Sätze, kein Amtsdeutsch

Schließlich lauten weitere Rhetoriktipps, kurze Sätze zu bilden (ab 15 Wörtern wird es unverständlich), keine Schachtelsätze zu benutzen und auf Amtsdeutsch zu verzichten. Alles Dinge, die die Kanzlerin sehr gerne, wenn nicht immer ignoriert. Auch das „Kleine Lexikon für Wahlkämpfer“ möchte man Merkel sehr ans Herz legen.

So sei zum Beispiel falsch, Fremdwörter wie „Haushaltskonsolidierung“ oder „qualifizierte Zuwanderung“ einzustreuen. Stattdessen sprechen brave CDU-Wahlkämpfer lieber davon, keine neuen Schulden zu machen. Oder davon, kluge Köpfe nach Deutschland zu holen.

Im Grunde lässt sich der Rat, den die CDU ihren Wahlkämpfern für eine erfolgreiche Wähleransprache erteilt, in einem Satz zusammenfassen: Redet bloß nicht wie eure Kanzlerin.

26 Aug 2013

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Ulrich Schulte

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