taz.de -- NSU-Prozess: Mord Nummer drei: Alle Spuren sorgfältig ignoriert

Die Hamburger Polizei ging Hinweisen auf eine rechtsextreme Tat nicht nach. Die Hauptangeklagte Zschäpe hatte Kontakte in der Hansestadt.
Bild: Mütze ohne Inhalt.

HAMBURG taz | Nun also Mord Numero drei. Im NSU-Prozess verhandelte das Münchner Oberlandesgericht am Montag erstmals den Fall des 2001 erschossenen Hamburger Kleinunternehmers Süleymann Tasköprü. Kurz vor der Mittagspause wurde es interessant. Andreas Thiel, Anwalt des Vaters von Ali Tasköprü, fragte das Gericht, wie die Beweisaufnahme an der Elbe denn weiter verhandelt werde. Nicht ohne Grund: Laut Thiel habe die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe Kontakte in der Hansestadt gehabt. „Bilder belegen diese Verbindung“, sagte Thiel.

Ein neuer Fakt also am 37. Verhandlungstag. Schon kurz vor der Frage hatte die Schwester des mutmaßlichen dritten Mordopfers des NSU-Trios, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, im Saal A 101 ihre Enttäuschung über den bisherigen Verlauf des Prozesstages geäußert. Ruhe, forderte daraufhin der Vorsitzende Richter Manfred Götzle sofort. Angela Wierig, Rechtsbeistand der Schwester, sagte der taz, dass es ihrer Mandantin nicht gut gehe: „Der Termin hat leider viel wieder aufgewühlt.“

Bereits am Vormittag musste auf Fragen von Thiel der LKA-Beamte Thorsten H. einräumen, dass man Spuren, die einen rechtsextremen Hintergrund im Mordfall Tasköprü nahelegten, damals nicht weiter verfolgt habe.

Beinahe nebenbei hatte H. selbst erwähnt, dass Ali Tasköprü ausgesagt habe, zwei Männer gegenüber dem Tatort gesehen zu haben. Thiel fasste nach: Ab wann H. bekannt gewesen sei, dass der Vater schon bei der ersten Vernehmung, wenige Stunden nach dem Mord an seinem Sohn am 27. Juni 2001, die beiden Männer erwähnt habe. Einen Tag später, so die Antwort des LKA-Manns. „Zwei deutsche Männer?“, fasste Thiel erneut nach. „Ja, das erinnere ich – eher Deutsche“, räumte H. ein.

Keine Ansatzpunkte

Und noch eine andere Zeugenbeobachtung würdigten die ermittelnden Beamten ebenfalls nicht. Nach einem Rundfernschreiben der Hamburger Ermittler an bundesweite Dienststellen meldeten sich Nürnberger Kollegen. Wenige Tage vorher war Abdurrahim Özüdoru, ein weiteres mutmaßliches NSU-Opfer, in der bayerischen Stadt mit Kopfschüssen in einer Änderungsschneiderei erschossen worden.

Rechtsanwalt Thiel hakte nach, ob nach diesem Hinweis einem möglichen rechtsextremen Hintergrund nachgegangen worden sei und die politische Abteilung der Polizei oder das Landesamt für Verfassungsschutz mit einbezogen wurden. „Kann ich nicht sagen“, so H. und schob nach: „Es gab keinerlei Ansatzpunkte für eine Spur zum Rechtsextremismus.“

Ob andere Hamburger Dienststellen bei den Ermittlungen involviert gewesen sein könnten, wollte Gül Pinar, ein weitere Anwältin der Familie, wissen. Die LKA-Beamtin Sonja S. durfte sich zu diesem Komplex aber nicht weiter äußern, sie hatte keine Aussagegenehmigung ihrer Dienstherren.

In Kooperation mit [1][Radio Lora München]

23 Sep 2013

LINKS

[1] http://www.lora924.de

AUTOREN

Andreas Speit

TAGS

Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Beate Zschäpe
Schwerpunkt Rechter Terror
NSU-Prozess
Halit Yozgat
NSU-Prozess
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
NSU-Prozess
Schwerpunkt Neonazis
Schwerpunkt Pressefreiheit
Beate Zschäpe

ARTIKEL ZUM THEMA

Anwältin schreibt Buch über NSU-Prozess: Rassismus? Nur ein Witz

Im NSU-Prosess hat die Anwältin Angela Wierig ihr Mandat verloren, weil sie ihrer Mandantin in den Rücken gefallen ist. Nun verbreitet sie AfD- und Pegida-Botschaften.

Vater eines Opfers im NSU-Prozess: „Er hat keine Antwort gegeben!“

Ismail Yozgat schildert im NSU-Prozess, wie er seinen erschossenen Sohn fand. Über den geplanten Auftritt eines Verfassungsschützers gibt es Streit.

NSU-Prozess: Zschäpe-Doppelgängerin in Dortmund?

„Sie hat nicht den Blick gesenkt“, sagt eine Zeugin, die Beate Zschäpe in Dortmund gesehen haben will. Doch die Glaubwürdigkeit der Frau ist zweifelhaft.

Zeuge in der NSU-Affäre: Nicht fürs Protokoll

Ein ehemaliger V-Mann will 2006 eine Waffenübergabe des mutmaßlichen NSU-Mörders Mundlos beobachtet haben. Die Polizei blockte ab.

NSU und Geheimdienst: Die große Verschwörung

Der Mord an Halit Yozgat nährt in rechten Kreisen die Vermutung, der NSU sei vom Geheimdienst kontrolliert worden.

NSU-Prozess: Der Hamburger Mordfall: Ein traumatisierter Vater

In München sagte der Vater des dritten Opfers Süleyman Taskröpü aus. Er hatte kurz nach der Tat zu Protokoll gegeben, zwei „deutsche“ Männer gesehen zu haben.

Rechtsextreme werden in Ruhe gelassen: Geheimdienst schützte seine V-Leute

Verfassungsschützer verhinderten 1999 ein Verbot des Neonazi-Netzwerks Aktionsbüro Nord wegen Quellenschutzes.

Überwachung der Journalistin Röpke: Vom Verfassungsschutz belogen

Sie gilt als eine der besten Kennerinnen der rechten Szene. Jahrelang wurde die Journalistin Andrea Röpke vom Verfassungsschutz beobachtet.

Verzögerung im NSU-Prozess: Anträge abgelehnt

Die Befangenheitsanträge der Verteidigung im NSU-Prozess wurden abgelehnt. Die Aussage einer Nachbarin belegt Zschäpes Anwesenheit in der Nähe von Tatorten.