taz.de -- NS-Prozess in Hagen: Widersprüchliche Aussagen
Im Mordprozess gegen Ex-SS-Mann Siert Bruins hat das Landgericht Hagen weitere Aussagen von einem mutmaßlichen Mittäter verlesen. Sie werfen Fragen auf.
HAGEN dpa| Im Hagener Mordprozess gegen ein früheres Mitglied der Waffen-SS sieht die Verteidigung Widersprüche in wichtigen Aussagen. Der mutmaßliche Mittäter des Angeklagten Siert Bruins habe laut verlesener alter Aussagen unterschiedliche Versionen abgegeben, sagte Verteidiger Klaus-Peter Kniffka nach dem zehnten Verhandlungstag am Mittwoch in Hagen.
[1][Seit Anfang September] verhandelt das Landgericht Hagen über die Erschießung des Widerstandskämpfers Aldert Klaas Dijkema im Raum der niederländischen Hafen- und Grenzstadt Delfzijl. Bruins und der andere, inzwischen verstorbene SS-Mann sollen ihn 1944 hinterrücks erschossen haben. Das Hagener Gericht hatte wegen dieses Falls schon einmal ein Verfahren eröffnet. Die Tat war aber als Totschlag und damit als verjährt eingestuft worden. Diese Auffassung hat sich geändert.
An zwei Verhandlungstagen wurden nun Vernehmungs- und Aussageprotokolle von August Neuhäuser verlesen – dem damaligen Begleiter von Bruins. „Zweifel bleiben immer noch“, sagte Verteidiger Kniffka im Anschluss. In den verschiedenen Aussagen, die innerhalb von rund drei Jahrzehnten aufgenommen wurden, habe Neuhäuser einerseits behauptet, zusammen mit Bruins auf Gefangene geschossen zu haben. An anderer Stelle habe Neuhäuser ausgesagt, Bruins habe allein geschossen.
Der in Dortmund geborene Neuhäuser starb 1985 im niedersächsischen Nordhorn. Er soll im Herbst 1944 gemeinsam mit Bruins den Auftrag erhalten haben, den verhafteten Widerstandskämpfer Dijkema unterwegs zu erschießen und es als Fluchtversuch zu arrangieren. Üblich waren standrechtliche Erschießungen. Der heute 92-jährige Bruins bestreitet den Vorwurf der Anklage, am Mord beteiligt gewesen zu sein. Er sei am Tatort gewesen, ohne zu wissen, was geschehen solle. Allein Neuhäuser habe geschossen.
Bruins war in Deutschland untergetaucht
Der frühere Leiter des Grenz- und Sicherheitspostens in Delfzijl, Heinrich Hermann Bordeaux, hatte seinerzeit angegeben, Neuhäuser habe ihm berichtet, eigenhändig den Auftrag ausgeführt zu haben. Über Bruins‘ Beteiligung wisse er nichts.
Bruins hatte während des Krieges als SS-Mitglied die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und war zwischenzeitlich in Breckerfeld bei Hagen untergetaucht. In den Niederlanden wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Später wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt. Er wurde aber nie ausgeliefert.
In einem anderen Fall wurden Bruins und Neuhäuser 1980 in Hagen zu Haftstrafen verurteilt. Dabei ging es um Beihilfe zum Mord an zwei niederländischen Juden im Jahr 1945.
2 Oct 2013
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der mutmaßliche NS-Verbrecher Siert Bruins ist nicht wegen Mordes an einem Widerstandskämfers verurteilt worden. Der 92-Jährige hatte die Tat stets bestritten.
Der Prozess gegen den früheren SS-Mann Bruins soll bis zum Urteil weitergeführt werden: Das Gericht glaubt nicht an die beginnende Erkrankung des Angeklagten.
Vor dem Landgericht Hagen muss sich seit Montag Siert B. verantworten. Die Anklage lautet Mord. Die Tat liegt 69 Jahre zurück.
Vor 69 Jahren soll Siert B. als Mitglied des SS-Sicherheitsdienstes einen Widerstandskämpfer getötet haben. Deutschland verweigerte die Auslieferung.