taz.de -- Ideen für eine bessere Flüchtlingspolitik (2): Gastarbeit wieder ermöglichen
Ein legaler Weg für afrikanische Arbeitsmigranten nach Europa fehlt. Dabei könnten Wandernde, ihre Herkunfts- und die Zielländer profitieren.
Die Lage
Nicht alle, die mit Schlepperbooten nach Europa kommen, sind [1][Flüchtlinge]. Und nicht alle wollen Asyl. Als nach dem Arabischen Frühling Tausende junge TunesierInnen die neue Freiheit nutzten und mit dem Boot nach Italien übersetzten, flohen sie nicht vor Repression. Sie suchten Arbeit. Gleichwohl ertranken Hunderte von ihnen.
Denn seit dem Anwerbestopp für Gastarbeiter in den 1970er Jahren ist eine legale Arbeitsmigration in die EU kaum noch möglich. Gleichwohl kommen irreguläre Arbeitsmigranten hierher. Der Weg für sie ist gefährlich, ihre Lage prekär. Vor allem in Südeuropa wird die Rechtlosigkeit Papierloser von ganzen Wirtschaftszweigen ausgenutzt.
Die Reform
„Europa braucht Zuwanderung, Deutschland braucht Zuwanderung, auch von außerhalb der EU“, sagt der Migrationsforscher Klaus Bade. „Man sollte endlich dazu kommen, die Grenze zwischen Flucht und Arbeitsmigration fließend zu machen.“ Bade will nicht einsehen, wieso jeder Ankommende gefragt wird, ob er „politisch verfolgt ist und nur dann können wir darüber nachdenken, ob er bleiben darf“. Europa müsse Wege finden, das „Potenzial derjenigen, die kommen, aufzufangen“.
Vorschläge dazu, den europäischen Arbeitsmarkt für Kontingente von Jobsuchenden auch aus Afrika zu öffnen, gab es immer wieder, auch aus Regierungskreisen. Den Aufschlag machten 2006 die konservativen damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Frankreichs Nicolas Sarkozy. Sie propagierten die „zirkuläre Migration“: Jobsuchende sollten drei bis fünf Jahre zum Arbeiten nach Europa kommen dürfen. Mit ihren neuen Kompetenzen sollten sie zur Entwicklung ihrer Herkunftsländer beitragen.
Oft wandern qualifizierte Berufsgruppen wie Lehrer oder Pflegekräfte aus, für die betroffenen Länder ist das ein Problem. Deshalb sollten nun auch nicht hochqualifizierte Jobsuchende kommen dürfen, eine Ausbildung machen, Geld verdienen und Erfahrungen sammeln.
„Programme zirkulärer Migration sind kein Allheilmittel. Sie bieten aber ein hohes entwicklungspolitisches Potenzial, das genutzt werden sollte“, sagte Heinz Faßmann vom Sachverständigenrat Migration. Das Gremium empfiehlt für Deutschland ein Pilotprogramm für zirkuläre Migration im Gesundheitsbereich, im Tourismus, in der metallverarbeitenden und der Autoindustrie. Als Partnerländer kämen etwa die Maghreb-Staaten und Ägypten oder die GUS-Nachfolgestaaten infrage. „Gekoppelt mit einer grundsätzlich erleichterten Zuwanderung nach Deutschland wäre das ein substanzieller Beitrag zu einer Verbesserung der deutschen Migrations- und Entwicklungspolitik“, so die Wissenschaftler.
Wer hätte etwas davon?
Uneigennützig ist das Ganze nicht: Das Zauberwort lautet „Triple Win“ – die Wandernden, ihre Herkunfts- und die Zielländer sollen profitieren. Die Nachfrage nach Arbeitsvisa für Europa dürfte enorm sein.
Der Haken
Der sogenannte Brain Drain, der Verlust von Fachkräften, ist nachteilig für die Herkunftsländer: Das bloße Abgreifen etwa schon ausgebildeten Pflegepersonals zum Beispiel. Um Familien nicht zu trennen, müssten die temporären Aufenthaltserlaubnisse auch für Familien gelten. Wenige Jahre reichen nicht für eine Rentenanwartschaft – nach einer Ausreise verfallen also gezahlte Sozialversicherungsbeiträge – ein Ausgleich wäre nötig. Zudem sollte auch eine langfristige Integration möglich sein. Denn die Erfahrungen mit den Gastarbeitern zeigen, dass die Migranten nach Jahren oft bleiben wollen.
Aussichten auf Umsetzung
Nicht utopisch. Immer wieder haben nicht nur konservative Politiker, sondern auch Wirtschaftsverbände Vorstöße in diese Richtung unternommen.
8 Oct 2013
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