taz.de -- Kommentar Göring-Eckardt: Die Opportunistin hat gewonnen
Mit Katrin Göring-Eckardt entscheiden sich die Grünen für die Uneindeutigkeit. Das ist zwar Angela Merkels Erfolgsrezept, macht es aber nicht besser.
Nun ist es also Katrin Göring-Eckardt geworden.
Die Grünen selbst beschwichtigten im Vorfeld der Kampfabstimmung ja gern, dass es im Grunde egal sei, ob die Reala Katrin Göring-Eckardt oder die Reala Kerstin Andreae neben dem Linker-Flügel-Mann Anton Hofreiter künftig die grüne Fraktion im Bundestag führen werde.
Doch ganz unabhängig davon, dass die Grünen eine kleine Fraktion in einer vermutlich schwachen Opposition sein werden, macht es schon einen Unterschied, welche der beiden Politikerinnen bald das Sagen haben wird im Parlament. Es ist der Unterschied zwischen klar formulierten Positionen und verschwiemelten Ansagen, zwischen Eindeutigkeit und Opportunismus.
Die Wirtschaftspolitikerin Andreae steht für mehr Kontakte zur Wirtschaft. Für die Energiewende müsse man die Unternehmen mit ins Boot holen, lautet ihr Mantra. Die Schwäbin weiß, wovon sie spricht. In ihrem Wahlkreis ist sie umgeben von den Größen der Wirtschaft: Bosch, Porsche, Hewlett-Packard. Die Wirtschaft braucht man, wenn man Hybridautos bauen und Gebäude ökologisch sanieren will. Bei ihr darf es jetzt auch Steuererhöhungen geben.
Wofür aber steht die Kirchenfrau Göring-Eckardt? Man weiß es nicht. Irgendwie fürs Soziale. Für die Kindergrundsicherung, auch für die Frauenquote und die Homo-Ehe. Aber ebenso für öffentlich gebackenen Kuchen, also für altbackene, betuliche Fürsorglichkeit. „Für Mut. Gegen Armut“ stand auf einem der Wahlplakate mit ihrem Konterfei.
Glühende Agenda-Verfechterin
Klingt gut, nicht wahr? Aber nur, wenn man vergisst, dass Göring-Eckardt einmal eine glühende Verfechterin der Agenda 2010 war. Später, als klar war, dass Hartz IV viele Probleme nicht lösen, dafür aber zahlreiche neue schaffen wird, hat sie sich flugs von ihrem Agenda-Engagement distanziert. Steuererhöhungen? Mal so, mal so.
Nun sind die Grünen eine Partei wie jede andere auch, Machtkämpfe hier, Taktieren dort. Trotzdem nervt es gewaltig, dass Spitzenpolitik heute vor allem uneindeutig, verschwommen und lavierend daherkommt. Dass man sich nur noch schlecht orientieren kann. Das ist das Erfolgsrezept Angela Merkels. Und das macht die grüne Kopie nicht besser.
Wo sind diejenigen, die für ihre Ansichten kämpfen? Die zu ihrem Wort stehen, auch wenn sich der Wind dreht?
8 Oct 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Linke Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt führen künftig die Grünen-Fraktion. Die Thüringerin zeigte ihren Machtwillen im Duell gegen Kerstin Andreae.
Schwarz-Grün hätte historische Dimensionen. Doch wie nah sind sich beide Parteien in den zentralen Politikfeldern wirklich? Ein Faktencheck.
Regierungsbeteiligung ohne Steuererhöhungen? SPD und Grüne geben erste Verzichtserklärungen ab. Grünen- Parteichef Özdemir will eine Koalition nicht ausschließen.
Nirgends suchen die Grünen so intensiv nach Gründen für ihre Niederlage bei der Bundestagswahl wie in Bremen. Die sind freilich schwer fassbar.