taz.de -- Ströbele besucht Snowden: Ein Brief für Merkel
Christian Ströbele bringt von einem Treffen mit Snowden einen Brief mit. Snowden signalisiert, bei der Aufklärung der NSA-Affäre mithelfen zu wollen. Die Frage ist nur wie.
BERLIN/WASHINGTON dpa | Nach immer neuen Vorwürfen gegen den US-Geheimdienst NSA wendet sich der Enthüller der Schnüffelei, Edward Snowden, in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Schreiben soll am Freitagmittag von dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele in Berlin vorgestellt werden. Dieser hatte den sogenannten Whistleblower am Donnerstag überraschend in Russland getroffen und den an Bundesregierung, Bundestag und Generalbundesanwalt adressierten Brief entgegengenommen.
Ströbele zufolge hat Snowden ein prinzipielles Interesse, Deutschland bei der Aufklärung der NSA-Spähaffäre zu helfen. Nur: „Die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden. Dazu haben wir lange hin und her diskutiert“, sagte der Politiker dem ARD-Magazin „Panorama“. Snowden habe dabei auch auf seine komplizierte juristische Situation verwiesen.
Dessen Anwalt Anatoli Kutscherena hatte zuvor der Agentur Interfax gesagt: „Er kann nirgendwohin ins Ausland reisen, sonst verliert er seinen gegenwärtigen Status.“ Außerdem gebe es Vereinbarungen, dass Snowden keine geheimen Informationen enthülle. Ströbele sagte, er habe Snowden angeboten, dass der frühere NSA-Mitarbeiter auch in Moskau gehört werden könnte, wo er Asyl genießt.
Das dreistündige Treffen des Grünen-Politikers mit dem sogenannten Whistleblower fand unter größter Geheimhaltung statt. Die USA suchen Snowden mit Haftbefehl und werfen ihm Landesverrat vor. Die US-Regierung hat nach Angaben des Bundesjustizministeriums bereits vorsorglich ein Auslieferungsersuchen nach Deutschland übersandt, berichtete „Panorama“.
USA reagieren gelassen
Die Vereinigten Staaten haben gelassen auf das Treffen des Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele mit dem früheren US-Geheimdienstexperten Edward Snowden in Russland reagiert. „Es ist das Recht jedes Bundestagsabgeordneten zu reisen, sich mit Leuten zu treffen und mit ihnen zu sprechen“, sagte der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. „Ich werde den Bundestagsabgeordneten nicht sagen, was sie tun können und was nicht.“
Offen ließ Emerson, wie die USA im Fall einer Aussage Snowdens vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages reagieren würden. „Wenn es passiert, werden wir damit umgehen“, sagte er. Das liege jedoch noch in ferner Zukunft und sei eine hypothetische Situation.
Emerson zeigte erneut Verständnis für die Empörung in Deutschland wegen der NSA-Spähaffäre, sprach aber erneut keine Entschuldigung aus. „Ich würde sagen, man sollte nicht auf eine Entschuldigung warten, sondern auf Taten“, sagte er im Deutschlandfunk.
1 Nov 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Christian Ströbele landet mit seinem Moskau-Besuch einen Coup. Und er sucht nach einem Weg, dem Whistleblower Asyl in Deutschland zu gewähren.
Mit seinem Besuch bei Edward Snowden beweist der junggebliebene Grüne, was alles möglich ist, wenn Politik die ausgetretenen Pfade verlässt.
„Meine Regierung strebt danach, politische Meinungsäußerung zu kriminalisieren“, schreibt der Whistleblower an die Bundesregierung.
Während die Bundesregierung Dienst nach Vorschrift macht, ist ausgerechnet dem viel verspotteten Ströbele eine glänzende Aktion geglückt.
Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds sollen nicht mehr von der NSA ausgespäht werden, ordnet Obama an. US-Außenminister Kerry gesteht Fehler ein.
Auch in Genf sollen Abhöranlagen auf dem Dach der US-Botschaft installiert sein - gegen UN-Gebäude. Das verstößt gegen sämtliche internationale Abkommen.
Die US-Vertretung öffnet ihre Pforten für Journalisten. Sie könnten fragen, was sie wollten, sagt der Botschafter – nur antworten könne er nicht auf alles.
Die NSA soll Nutzerdaten von beiden Internetkonzernen abfangen haben, so die „Washington Post“. Google reagiert empört und fordert rasche Reformen.
Regierungen wägen im Geheimen zwischen Sicherheitsinteresse und Freiheitsrechten ab. Diese Entwicklung trifft die Demokratie im Kern.
Wenn Gestapo oder Stasi zu viel Macht haben, endet das im Überwachungsstaat. Ein ehemaliger CIA-Mitarbeiter meint, genau davor sollten die Europäer die USA warnen.