taz.de -- Sieg für Umweltaktivisten: Deutschlands Felder gentech-frei

Nicht mal mehr im Versuchsanbau: 2013 wachsen das erste Mal seit 20 Jahren in Deutschland keine Gentech-Pflanzen unter freiem Himmel.
Bild: Wird dieses Jahr nicht mehr umgebracht: Der Maiszünsler

Auf Deutschlands Äckern wächst 2013 erstmals seit 20 Jahren keine einzige gentechnisch veränderte Pflanze. Als letzter Inhaber einer Genehmigung für Freilandversuche in diesem Jahr hat das [1][Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung] (IPK) im sachsen-anhaltischen Gatersleben sein geplantes Experiment abgesagt. Das IPK wollte in diesen Tagen Gentech-Winterweizen aussäen.

„Unser Freilandversuch wird in diesem Jahr leider nicht stattfinden“, teilte IPK-Sprecher Roland Schnee der taz.am wochenende mit. Er begründete das mit den Zerstörungen von Freisetzungsversuchen durch militante Gentechnik-Gegner. Sie hätten dazu geführt, dass „es in Deutschland kaum noch Freisetzungen gentechnisch veränderter Pflanzen gibt“.

Aus der Liste des zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geht hervor, dass der [2][IPK-Versuch] mit Winterweizen als letztes Experiment in diesem Jahr hätte stattfinden können.

Der Versuch war auf Flächen der Firma BioTechFarm in Üplingen geplant. Deren Geschäftsführerin Kerstin Schmidt sagte der taz.am wochenende: „Wir würden kein Geschäft machen mit nur einem einzigen Versuch.“ Der technische und personelle Aufwand lohne sich nicht.

Die Bewegung wird Mainstream

Damit ist nach dem kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen 2012 nun auch der Versuchsanbau in Deutschland zum Erliegen gekommen – ein weiterer Sieg für die Anti-Gentech-Bewegung.

Die Bewegung hat ab 1996 den Mainstream erobert: Damals wurden die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen aus den USA nach Deutschland importiert. Die Umweltorganisation Greenpeace blockierte Schiffe, die die Soja transportierte, und startete eine europaweite Kampagne. Ergebnis: Unterstützten oder tolerierten 1996 nach einer Umfrage im Auftrag der EU-Kommission noch 56 Prozent der Deutschen Gentechnik in der Landwirtschaft, waren es drei Jahre später nur noch 49 Prozent.

Dabei nutzten die Aktivisten die Angst vieler Menschen vor der neuen Technologie. Sie fürchten, dass die Pflanzen zum Beispiel Allergien oder Krebs verursachen könnten. Die mutmaßlichen Belege dafür sind allerdings höchst umstritten. Gentechnikpflanzen ermöglichen es aber auch, aus wirtschaftlichen Gründen über Jahre auf denselben riesigen Feldern die gleichen Pflanzenarten anzubauen. In solchen Monokulturen können sich Schädlinge und Krankheiten schneller ausbreiten. Auf diesen Feldern überleben weniger Tier- und Pflanzenarten.

Durch intensive Lobbyarbeit erreichte etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dass die EU 2003 einen folgenschweren Beschluss fasste: Wenn ein Lebensmittel zu mehr als 0,9 Prozent aus Gentech-Pflanzen besteht, muss das gekennzeichnet werden. Das ermöglichte es den Verbrauchern, sich im Supermarkt bewusst gegen Gentechnik zu entscheiden. Deshalb wagte es kaum ein Lebensmittelhersteller, gentechnisch veränderte Pflanzen zu verarbeiten.

Aigner gegen Gentech-Mais

Mit hunderten Informationsveranstaltungen in Bayern trugen die Gentechnikgegner dazu bei, dass schließlich die Regierungspartei CSU in der Gentech-Frage kippte. 2009 verbot deshalb die damalige Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) den Gentech-Mais MON810 von Monsanto in Deutschland.

Monsanto-Konkurrent BASF gab im Januar 2012 auf und stoppte den ohnehin vor sich hinsiechenden Anbau seiner Gentech-Kartoffel Amflora – unter anderem, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 das restriktive deutsche Gentechnikgesetz bestätigt hatte. Damit war der kommerzielle Anbau in Deutschland am Ende.

Monsanto gestand im Mai 2013 seine Niederlage in der taz ein. Geschäftsführerin Ursula Lüttmer-Ouazane [3][sagte] über den Anbau von Gentech-Pflanzen in Deutschland: „Wir haben verstanden, dass das im Moment nicht die breite Akzeptanz hat.“ Wenig später zog Monsanto vier seiner acht Zulassungsanträge für den Anbau in der EU zurück, die anderen sollen bald folgen. Verlängern will der Konzern die Lizenz für MON810, die in Deutschland außer Kraft gesetzt ist.

Ist dieser Sieg der Gentechnikgegner endgültig? Was ist mit den massenhaften Importen von Gentech-Futter? Diskutieren Sie mit! Wir freuen uns auf Ihre Meinung.

1 Nov 2013

LINKS

[1] http://www.ipk-gatersleben.de/
[2] http://apps2.bvl.bund.de/freisetzung/
[3] /!117205/

AUTOREN

Jost Maurin

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