taz.de -- Kolumne Wutbürger: Eltern von Blagen sind Plagen

Es gibt Orte, an denen sollten sich nur Erwachsene amüsieren. Aber manche meinen, unbedingt ihre Kinder überall dabei haben zu müssen.
Bild: Kinder können auch ohne Erwachsene viel Spaß haben.

Wie maßlos heute die Anforderungen an Familien und vor allem an die Frauen sind, konnte ich auf dem Titel eines billigen Lifestylemagazins nachlesen. Die Redaktion behauptet, Karriere, knackiger Po und Kindererziehung sollte mit ihren 20 Turbo-Tricks lässig zu schaffen sein.

Wie das in der Praxis dann abläuft, musste ich kürzlich auf einem Konzert beobachten. Da wurden zwei übermüdete Kinder mit buntem Schallschutz auf den Ohren – so viel Fürsorge muss sein – auf Hundert-Euro-Plätze verfrachtet und durften knapp drei Stunden einem alten Mann zuhören, der nicht singen konnte und sich deshalb im Dunkeln versteckte.

Diese unsinnigen Familienausflüge sind keine Ausnahme, sondern inzwischen die Regel. Unter dem Vorwand, die Kleinen an ihrem großen Leben teilhaben zu lassen, werden diese überallhin mitgeschleift. Statt in den Wald, geht’s am Sonntag in eine Ausstellung, in der sich die Kinder wie Kinder verhalten. Sie rennen durch die Räume und zwischen dem Ausgestellten rum, sind laut, quengeln und wollen raus. Nach einer halben Stunde mit denen im Raum will ich auch nur noch weg.

Aufgedrehte Kids

##

Den Eltern der Blagen dagegen gelingt es, das berechtigte Geplärre ihres Nachwuchses souverän zu ignorieren. Genauso wie die Tatsache, dass es Orte gibt, an denen sich ausschließlich Erwachsene amüsieren. Sonst würden sie nicht auf die Idee kommen, ihren Nachwuchs auf Feste zu schleppen, auf denen die eine Hälfte der Gäste angetrunken und der Rest besoffen ist. Und mittendrin völlig aufgedrehte Kids, denen, wenn sie Pech haben, auf den Kopf geascht wird.

Die Reaktion auf meine dezenten Hinweise, es wäre an der Zeit die Kinder endlich auf den Spielplatz oder ins Bett zu bringen, ist immer dieselbe. Ich bin eine kinderfeindliche Spaßbremse und soll mich mal locker machen. Da mir das nicht gelingt, meide ich inzwischen solche Feste und gehe lieber joggen. Das soll gut für die Gesäßmuskeln sein.

3 Nov 2013

AUTOREN

ISABEL LOTT

TAGS

Kinder
Erwachsene
Spaß
Wutbürger
Mutti
Konsum
Frau
rosa
Wutbürger
Gepäck
Kampfradler
Müll
Mitte
Konzert
Urlaub

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Wutbürger: Warten, bis der Arzt kommt

Hat der Zug gerade mal vier Minuten Verspätung, ist sofort Krawall angesagt. Aber beim Arzt werden alle wieder ganz devot.

Kolumne Wutbürger: Frau ohne Namen

Eine Mutti hat außerhalb des Kinderzimmers nichts zu melden. Was sagt dieser Titel dann über unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Kolumne Wutbürger: Heimlicher Kaufrausch

Die Buchhandlungen sterben aus, die Innenstädte veröden. Wer bei Internetversandhändlern bestellt, sollte sich darüber nicht beschweren.

Kolumne Wutbürger: In meiner Wohnung nicht verfügbar

Das Lächeln der Frau war wie ein Stück Zartbitterschokolade mit rotem Pfeffer. Doch wollte man sie küssen, musste man sich zwei Jahre an sie binden. Mindestens.

Kolumne Wutbürger: Der Mief der fünfziger Jahre

Wo war noch mal die Emanzipation? Bestimmt nicht in deutschen Kinderzimmern. Dort glitzern rosa Nagellack, Schminke und Schmuck.

Kolumne Wutbürger: Ein Platz hinter dem Mond

Menschen mit Sitzplatzreservierungen planen auch ihren Geschlechtsakt. Doch aufregen hilft nicht, in der Vertreibung liegt auch eine Chance.

Kolumne Wutbürger: Weitwurf für Olympia

Sie pfeffern Koffer um Koffer aufs Band – Menschen in Neongelb, die sich an Flughäfen aufhalten. Die Kür: Das Gepäck so aufs Band knallen, dass es platzt.

Kolumne Wutbürger: Sie wollen doch nur radeln!

Junge Frauen sind eine perfide Untergruppe der Kampfradler: Kindergruppen und alte Leute werden rigoros weggeklingelt. Oder angefahren.

Kolumne Wutbürger: Gelebter Umweltschutz für Idioties

Was tut man nicht alles, um die Welt zu retten: Äpfel nur aus regionalem Anbau, Altglas brav in den Container. Aber wohin bloß mit den Deckeln?

Kolumne Wutbürger: Psycho, Esoterik, Quatsch

Wildfremde Menschen wollten uns nicht nur im Wahlkampf unbedingt helfen, die eigene Mitte zu finden. Um Gottes Willen, nein!

Kolumne Wutbürger: Packt das Smartphone weg!

Einst fotografierten wir, um Momente zu bewahren. Das Wesen der Digitalfotografie ist es, Momente auf alle Ewigkeit zu zerstören.

Kolumne Wutbürger: Halbnackt in der Fremde

Was haben Urlauber eigentlich in ihren Koffern? Am Mittelmeer tendiert der Tourist an sich zur Textilfreiheit. Das finden viele nicht gut.