taz.de -- Geheimniskrämer: Verfassungsschutz macht Fehler

Das Verwaltungsgericht Göttingen urteilt: Niedersachsens Verfassungsschützer müssen Daten über den Journalisten Kai Budler löschen.
Bild: Auch offiziell wieder unbescholten: Kai Budler

HANNOVER taz | Dass Niedersachsens Verfassungsschutz rechtswidrig Daten über Journalisten gesammelt hat, ist nun auch gerichtlich bestätigt: Gestern verpflichtete das Verwaltungsgericht Göttingen die Behörde, ihre Einträge zum Journalisten Kai Budler zu löschen. Dass man ihn jahrelang als vermeintlichen Linksextremisten führte, wusste Budler, seit er 2011 ein Auskunftersuchen gestellt hatte. Daraufhin reichte er Klage ein.

In der Ära von Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU) legte die Behörde Budler etwa den Besuch diverser Demos von Rechtsextremisten bis hin zu Atomkraftgegnern zur Last. Vermerkt wurde sogar, dass er seit 2000 beim Stadtradio Göttingen arbeitet. Budlers Anwalt Sven Adam sieht nicht nur die Grundrechte Budlers verletzt, sondern auch die Pressefreiheit. Verfassungsfeindliche Bestrebungen gingen aus den Akten nicht hervor. Die Demonstrationen etwa habe Budler zu Recherchezwecken besucht – sprich: aus beruflichen Gründen.

Diese Auffassung bestätigte nun auch das Gericht und ordnete die Löschung der Daten an. Einzig für die geheim gehaltenen Einträge mochte es dies nicht fordern: Der Verfassungsschutz hatte auf Budlers Auskunftersuchen hin den Teil der Daten zurückgehalten, der mutmaßlich über V-Leute oder mit nachrichtendienstlichen Überwachungsmitteln gesammelt worden war. Auch vor Gericht machte die Behörde dazu jetzt keine Angaben.

Budlers Anwalt Adam spricht dennoch von einem „vollen Erfolg“: Mit dem Urteil sei erwiesen, dass seinem Mandanten „nichts vorzuwerfen und die Praxis des Verfassungsschutzes in der Vergangenheit eindeutig rechtswidrig war“. Die Behörde hat unter Schwarz-Gelb nicht nur weitere Journalisten beobachtet, darunter die taz-Autorin Andrea Röpke. Auch Rechtsanwalt Adam selbst soll ins Visier des Geheimdienstes geraten sein.

Publik gemacht hat die Bespitzelungen die neue Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger (SPD), nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün eingesetzt. Zuvor war sie Pressesprecherin der Behörde – und hatte die Beobachtung Budlers 2011 noch verteidigt.

6 Nov 2013

AUTOREN

Haclicek

TAGS

Geheimdienst
Rechtsextremismus
Lokalzeitung
Polizei

ARTIKEL ZUM THEMA

Verfassungsschutz: Geheimdienst stellt Gericht kalt

Im Streit um die Bespitzelung des Journalisten Kai Budler sollen Lüneburger Richter entscheiden, was ihre Kollegen in Hannover erfahren dürfen.

Überwachte Journalistin wehrt sich: Geheimniskrämerei verklagt

Der niedersächsische Verfassungsschutz verweigert der Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke vollständige Auskunft über rechtswidrig geführte Akten. Der Grund: Quellenschutz. Nun klagt sie.

Pressefreiheit in Bayern: Jagd nach dem Spitzel

Der Lokaljournalist Hubert Denk berichtete nur über eine kontroverse Parteispende. Nun wird gegen den bayerischen Journalisten ermittelt.

Deutsche Journalisten unter Beobachtung: Illegale Überwachungen

Wenn Journalisten mehr wissen als Geheimdienste und Behörden, werden sie bespitzelt und durchsucht. Das war 1970 nicht anders als heute.

Sicherheit oder Einbildung: Brauchen wir den Verfassungsschutz?

Der niedersächsische Inlandsgeheimdienst hat die Journalisten Andrea Röpke und Kai Budler beobachtet - rechtswidrig. Soll man die Institution abschaffen?