taz.de -- Thailands Gelbe gegen die Roten: Gewalt und Chaos in Bangkok
In der Hauptstadt eskaliert die Lage erneut. Polizei und Militär greifen hart gegen die Demonstranten durch. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
BANGKOK taz | Auf der Seitenstraße, die vom „Mamortempel“, einem beliebten Touristenziel, in Richtung des Regierungssitzes führt, herrscht normalerweise ein Riesenstau wie vielerorts in Bangkok. Doch normal ist in diesen Tagen gar nichts in Thailands Hauptstadt. Die Straße ist leer, es sind Rufe und Brüllen zu hören: Die Regierungsgegner, die seit mehr als einer Woche Ministerien stürmen und Straßen besetzen, schwenken Nationalfahnen und schielen angriffslustig in Richtung der Barrikaden, hinter denen sich die Polizei verschanzt hält. Die ersten Protestler kommen nah an die Betonblöcke heran, erklimmen sie und lassen wüste Beschimpfungen an die Adresse der Polizisten los: „Haut ab, ihr Sklaven der Regierung!“
Doch die denken nicht daran. Bis zu 20.000 Polizisten sind im Einsatz, um zu verhindern, dass die Demonstranten den Regierungssitz besetzen. Mehrere tausend Soldaten sollen zusätzlich für Sicherheit in der Hauptstadt sorgen. Plötzlich eskaliert die Lage: Als eine Gruppe von Protestierenden beginnt, Betonblöcke wegzuschleifen, setzt die Polizei Tränengas und Wasserwerfer ein – das geht den ganzen Tag über so.
Die Proteste gegen die Regierung unter Premierministerin Yingluck Shinawatra drohen das Land immer tiefer ins Chaos zu stürzen. Bei Gewaltausbrüchen, mutmaßlich geschürt von einem regierungsfeindlichen Mob, wurden seit Samstagabend mindestens vier Menschen ermordet und mehr als 50 wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. Zudem versuchten Hunderte Demonstranten, sich Zutritt zu einem Polizeikomplex zu verschaffen, in dem sich Yingluck aufgehalten hatte.
Es hieß, die Premierministerin habe in Sicherheit gebracht werden müssen. Zur gleichen Zeit belagerten die Demonstranten mehrere Fernsehsender: Diese dürften, so ihre Forderungen, nur noch Nachrichten vermelden, die ihnen die Anführer der Proteste und deren Unterstützer in die Feder diktierten.
Diabolisches Grinsen
Allen voran ist da Suthep Thaugsuban, ein Veteran der thailändischen Politik und ein früherer Vizepremier. Erst vor Kurzem ist er von seinem Abgeordnetensitz der oppositionellen „Demokratischen Partei“ zurückgetreten, um die Proteste anführen zu können. Dem 64-Jährigen mit den silbernen Haaren und dem diabolischen Grinsen steht der Schweiß auf der Stirn, die Stimme ist heiser vom Brüllen ins Mikrofon in den letzten Tagen: „Wir werden nicht aufhören, bis wir unser Ziel erreicht haben, nämlich das Thaksin-Regime auszumerzen!“ Denn für ihn und seine Unterstützer ist Yingluck Shinawatra, Schwester des 2006 vom Militär gestürzten damaligen Premiers Thaksin Shinawatra, die im Juli 2011 einen Erdrutschsieg bei den Wahlen eingefahren hatte, nichts anderes als eine Marionette Thaksins.
Suthep hat stattdessen ein „Demokratisches Reformkomitee des Volkes“ ins Leben gerufen. Dem Gremium, dem er als Generalsekretär vorsteht, gehören altbekannte Gesichter an, die als entschiedene Gegner Thaksins gelten. Darunter sind ehemals Angehörige der mittlerweile aufgelösten „Volksallianz für Demokratie“ (PAD). Die „Gelbhemden“ der PAD hatten nicht nur als Wegbereiter des Militärputsches gegen Thaksin 2006 gedient, sondern wurden berühmt-berüchtigt durch die Besetzung des Regierungssitzes und des internationalen Flughafens 2008, als eine Thaksin-nahe Regierung im Amt war.
Beobachter erklärten indes, es sei schwer einzuschätzen, wie lange die chaotischen Zustände anhalten würden. Angesichts der Eskalationen hat die thailändische Regierung den Bewohnern in Bangkok am Sonntag geraten, ab dem späten Abend nicht mehr vor die Tür zu gehen.
Suthep Thaugsuban ist am Sonntag mit Yingluck Shinawatra zusammengekommen. Ein Ergebnis wurde jedoch nicht erzielt, wie Suthep nach dem Treffen in einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache sagte. „Ich habe Yingluck gesagt, dass ich sie nicht mehr treffen werde, bis sie das Macht an das Volk abgegeben hat“, fügte er hinzu. Dies sei „die einzige Lösung“ in dem Konflikt.
1 Dec 2013
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