taz.de -- Porträt Vitali Klitschko: „Dr. Eisenfaust“ protestiert

Er ist amtierender Schwergewichtsweltmeister. Außerdem ist Vitali Klitschko Vorsitzender einer Partei namens „Schlag“. Und er ruft die Ukrainer zur Ruhe auf.
Bild: Doktor der Sportwissenschaften: Vitali Klitschko 2009 im Ring.

Seine Fäuste hat Boxweltmeister Vitali Klitschko bei den Massenprotesten, die dieser Tage die Ukraine erschüttern, soweit bekannt noch nicht eingesetzt. Im Gegenteil: Am vergangenen Sonntag rief der Oppositionspolitiker in Kiew zur Ruhe auf, als es vor dem Präsidentenbüro zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten kam und die Situation kurzzeitig außer Kontrolle zu geraten drohte.

Die Massenproteste sind für Klitschko, der 1971 in Belowodskoje, im heutigen Kirgisien, geboren wurde und seit 1985 in der Ukraine lebt, ein Déjà-vu. Bereits 2004 engagierte sich der promovierte Sportwissenschaftler mit seinem Bruder Wladimir für die Demokratiebewegung (Orangene Revolution), die nach wochenlangen Protesten den damaligen (und heutigen) Präsidenten Wiktor Janukowitsch aus dem Amt fegte.

Zwei Jahre später kandidierte er für das Bürgermeisteramt in Kiew und landete mit 29 Prozent auf dem zweiten Platz. Auch ein zweiter Versuch, im März 2008 in das Rathaus der Hauptstadt einzuziehen, scheiterte. Im April 2010 wurde Klitschko zum Vorsitzenden der neu gegründeten Partei „Ukrainische demokratische Allianz für Reformen“ (Udar, Deutsch: „Schlag“) gewählt.

Udar wurde bei den Parlamentswahlen 2012 mit 13,9 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft und Klitschko ihr Fraktionschef im Parlament. Im gleichen Jahr stieg der verheiratete dreifache Familienvater zum bislang letzten Mal in den Ring und verteidigte gegen den Deutschen Manuel Charr seinen Weltmeistertitel im Schwergewicht. Wie üblich durch K.o. – nicht umsonst ist sein Kampfname „Dr. Eisenfaust“.

Der Zweimetermann, der mit seiner 2003 gegründeten Klitschko-Stiftung Hilfs- und Sportprojekte für sozial benachteiligte Kinder fördert, hat in der Politik noch einiges vor – und das, obwohl er alles andere als ein begnadeter Redner ist und sich noch immer mit seiner neuen Rolle schwertut. Im vergangenen August kündigte er an, 2015 bei den Präsidentenwahlen antreten zu wollen. Doch jetzt gilt sein Kampfgeist erst einmal der Protestbewegung. Diese werde so lange weitermachen, bis die Regierung zurücktrete, sagte Klitschko. Wer wollte an seinen Worten zweifeln. Denn Stehvermögen hat er ja.

2 Dec 2013

AUTOREN

Barbara Oertel

TAGS

Vitali Klitschko
Udar
Ukraine
Wiktor Janukowitsch
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Boxen
Vitali Klitschko
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Ukraine
Kyjiw
Ukraine
Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Pass-Posse um Boxer Manuel Charr: Schwerer Kampf um ein Stück Papier

Manuel Charr, Weltmeister im Schwergewichtsboxen, wurde als „neuer Max Schmeling“ gefeiert. Hat sich der Faustkämpfer den Titel erschlichen?

Vom Boxer zum Politiker: Dr. Eisenfaust und Mr. Volkstribun

Vitali Klitschko hat sich als Boxer im Westen bewährt. Nun will er die Ukraine dahin führen. Ob ihm seine Eigenschaften als Kämpfer dabei nutzen?

Proteste in der Ukraine: Westerwelles letztes Gefecht

Der scheidende Außenminister kritisiert den russischen Druck auf Kiew scharf. Vize-Regierungschef Arbusow schließt vorgezogene Neuwahlen nicht aus.

Ukraine und die EU: Deutschland mischt mit

Bundesaußenminister Guido Westerwelle will zu bilateralen Gesprächen nach Kiew fliegen. Ministerpräsident Mykola Asarow warnt derweil vor einer Eskalation der Lage.

Folgen der Proteste in der Ukraine: Katerstimmung im Kreml

Russland sieht den Westen und ausgebildete Kämpfer in Kiew am Werk. Janukowitsch scheint abgeschrieben zu sein, eine Alternative hat Moskau aber nicht.

Kommentar Misstrauensvotum Ukraine: Janukowitschs langer Winter

Viktor Janukaowitsch bleibt vorerst, das Misstrauensvotum im Parlament gegen seine Regierung ist gescheiert. Doch es ist fraglich, ob er den Winter übersteht.

Misstrauensvotum abgewiesen: Ukrainischer Regierungsschef bleibt

Niederlage für die Opposition: Nikolai Asarow bleibt im Amt. Der Misstrauensantrag gegen ihn scheiterte. Vor dem Parlament in Kiew wird weiter demonstriert.

Proteste in der Ukraine: Parlament stimmt über Regierung ab

Trotz Eiseskälte haben erneut Tausende Regierungsgegner die Nacht in Zelten im Regierungsviertel verbracht. Das Parlament entscheidet über einen Misstrauensantrag.

Proteste in der Ukraine: Zeltstadt in Kiew errichtet

Die Demonstrantionen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew reißen nicht ab. Das Rathaus bleibt weiter besetzt. Der Nato-Generalsekretär fordert Gewaltverzicht.

Proteste in der Ukraine: Tränengas gegen EU-Freunde

In Kiew gehen erneut rund tausend Menschen auf die Straße und demonstrieren für eine Annäherung an die EU. Für den Nachmittag ist eine Großkundgebung angekündigt.

Parlamentswahlen in der Ukraine: Klitschkos Partei im Parlament

Präsident Janukowitsch gewinnt die Wahlen. Die Partei des Boxers Vitali Klitschko schafft den Sprung ins Parlament. Auch die Nationalisten überwinden die Fünfprozenthürde.