taz.de -- Gruppenchat-Programm Syme: Netzwerk ohne Überwacher

Syme sieht Facebook oder Google+ sehr ähnlich, hat aber einen Vorteil: Alle Daten werden verschlüsselt. Noch fehlt es aber an Funktionalität.
Bild: Ausnahmsweise im Klartext lesbar: Gruppenseite auf Syme

BERLIN taz | Syme wirkt vertraut: Da das Rädchen für die Einstellungen, links blinkt es rot, wenn eine neue Nachricht eintrudelt, unter jedem Beitrag ist ein „Like“-Knopf. Es könnte Facebook sein, oder Google Plus oder Diaspora. Doch das Programm kann etwas, was die großen Online-Netzwerke nicht können: die unkomplizierte und vollständige Verschlüsselung von Nachrichten.

[1][Syme], benannt nach einer Figur aus George Orwells „1984“, ist das Projekt von drei Studenten aus Montreal, Kanada. „Früher haben wir viel über Facebook-Gruppen kommuniziert“, sagt Jonathan Hershon über sich und seine Ko-Entwickler. Doch es störte sie, dass Facebook grundsätzlich alles mitlesen kann. Die drei Männer begannen ein eigenes Programm zu schreiben: „Wir haben gemerkt, dass wir eine Lösung für ein Problem gefunden haben, das viele haben.“

Das Problem ist der anfängergerechte Einsatz von Verschlüsselung bei Online-Netzwerken. Bisher ist Verschlüsselung entweder mit hohem Aufwand für Nutzer verbunden, beispielsweise wenn sie manuell alle Verschlüsselungscodes verwalten müssen. Oder sie müssen Dienstleistern vertrauen, die Verschlüsselung zu übernehmen – etwas, das seit den [2][Snowden-Enthüllungen] kaum noch möglich erscheint.

„Unser Konzept legt so wenig Vertrauen wie möglich in den Anbieter“, sagt Hershon. Syme wird als Browsererweiterung für Chrome installiert – Versionen für Firefox, Safari und Mobilgeräte sind geplant – und [3][verschlüsselt] [4][die Daten] noch bevor sie an die eigenen Server geschickt werden. Zugleich wird [5][der Quellcode des Projekts offengelegt], so dass er von anderen Programmierern durchleuchtet werden kann. Sichtbar für Betreiber bleiben Metadaten: Zeiten von Serverzugriffen, Dateigrößen und, vor allem, wer mit wem kommuniziert.

Kostenlos und Anzeigenfrei

Während das Projekt einen entscheidenden Schritt in der Verschlüsselung macht, fehlt es ihm noch an einiger Funktionalität: Derzeit können nur geheime Gruppen angelegt und Mitglieder per Mail-Adresse eingeladen werden. Man kann nicht Unbekannten folgen wie auf Twitter oder das ganze Freundesnetz beobachten, wie bei Facebook. Syme ist eher ein geschlossener Gruppenchat als ein wirkliches Netzwerk.

„In der ersten Testperiode haben viele Nutzer darum gebeten, dass sowohl Gruppen als auch Personen suchbar sind“, sagt Hershon. Schon das würde ein Schritt Richtung herkömmliche Soziale Netzwerke sein. Und bei einem Versprechen klingt dann Hershon dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sehr ähnlich: „Syme wird kostenlos bleiben.“ Aber auch: „Wir bleiben auch anzeigenfrei. Wir wollen damit Geld verdienen, dass wir Sonderlösungen für Anwälte oder Ärzte anbieten.“

8 Dec 2013

LINKS

[1] http://getsyme.com/
[2] /!t13634/
[3] http://github.com/symeapp/syme
[4] http://karp.id.au/tech/2013/11/why-you-should-consider-syme-over-facebook/
[5] http://github.com/symeapp

AUTOREN

Lalon Sander

TAGS

Datenschutz
Schwerpunkt Überwachung
Privatsphäre
Schwerpunkt Meta
Edward Snowden
Schwerpunkt Überwachung
Innenministerium
Schwerpunkt Überwachung
Lavabit
Telefondaten
NSA

ARTIKEL ZUM THEMA

Dezentrales soziales Netzwerk „Twister“: Etwas Bitcoin, etwas Twitter

Es sieht Twitter auffallend ähnlich, ist aber dezentral und verschlüsselt. Sein Erfinder sagt, „Twister“ sei nicht zensierbar und kaum auszuspionieren.

E-Mails ans Innenministerium: Jetzt sogar verschlüsselt

Das Innenministerium empfiehlt seit Jahren E-Mails zu verschlüsseln – und hat sich selbst nicht dran gehalten. Jetzt macht es mit. Ein bisschen.

E-Books über Verschlüsselung: Digitale Selbstverteidigung

Was tun gegen die Schnüffelei der Geheimdienste? In „Verschlüsselt!“ erklärt Tobias Gillen, wie man Spionen das Leben schwer machen kann.

Lavabit und Silent Circle kooperieren: Allianz für sicheres Mailen

Drei Monate nach dem unfreiwilligen Ende des Email-Dienstes Lavabit plant sein Gründer ein neues Projekt. Mit einem prominenten Partner.

Netzüberwachung durch Staaten: Vier Schritte zum Ausbruch

E-Mails und Dateien können heutzutage sehr einfach und sehr gut verschlüsselt und anonymisiert werden. Hier sind vier Grundsätze für mehr Privatsphäre.

NSA überwacht US-Mails und Telefone: Eine gigantische Schnüffelei

Inzwischen ist die „Guardian“-Recherche bestätigt: Mit dem Überwachungsprogramms Prism beobachtet die US-Regierung die Kommunikation ihrer BürgerInnen.

Sicheres Chatten mit Crypto.cat: Der Katzenkryptograf

Nutzer haben Vieles im Netz nicht unter ihrer Kontrolle, findet Nadim Kobeissi. Deshalb hat er einen verschlüsselten Browserchat erfunden.