taz.de -- Videokunst im Internet: Digitaler Echtzeit-Impressionismus
Der Videokünstler Dennis Hlynsky visualisiert in seinen Filmen die unergründlichen Bewegungspfade von Tieren. Er macht damit das Unsichtbare sichtbar.
Die Faszination an der Natur ist seit jeher ein zentrales Thema künstlerischen Schaffens. Auch wenn sich mit den Epochen die Techniken und Perspektiven verändern. Während Claude Monet für seine impressionistischen Wirklichkeitsausschnitte von Landschaften noch Pinsel verwendete, eignet sich heute digitale Technik, um die verborgenen Ästhetiken der Natur freizulegen.
Der US-amerikanische Videokünstler und Designer Dennis Hlynsky nähert sich natürlichen Phänomenen aus filmischer Perspektive. Seit Jahren filmt er mit einer einfachen Digitalkamera vor allem fliegende Vögel. Um die komplexen Bewegungen jedes einzelnen Vogels zu visualisieren, bearbeitet er die Filmclips mit digitalen Bildeffekten.
Zu sehen sind dann faszinierende Bewegtbildgemälde, in denen die jeweiligen Flugrouten eine Vielzahl von Linien, Ellipsen und Kreise erzeugen, die ständig zwischen Ordnung und Chaos changieren. In Verbindung mit vorbeiziehenden Wolken oder bewegungslosen Strommästen, die besonders für Stare ein beliebter Pausen-Orte sind, entsteht eine brüchige Spannungslinie zwischen Realität und geometrischer Abstraktion.
Auf diese Weise ist ein umfangreiches Videoarchiv entstanden, das sich auf Hlynskys Vimeo-Seite abrufen lässt. Neben ornithologischen Studien visualisiert der Professor an der Rhode Island School of Design zudem die labyrinthhaften Bewegungspfade [1][kanadischer Wasserkäfer], [2][Enten] oder [3][Ameisenkolonien], die teilweise wie hyperrealistische Bleistiftzeichnungen aussehen.
Mit seinen Filmen gelingen Hlynsky nicht nur ungewöhnliche Naturdokumentationen, sondern auch eine beeindruckende Ästhetisierung des vermeintlich Selbstverständlichen. Eine andere Welt, die ensteht, indem man sie neu beschreibt.
24 Jan 2014
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