taz.de -- Kommentar Streit Energiewende: Nicht alle Kritiker sind Egoisten
Um den Ausstieg aus der Atomkraft und die Verringerung der Kohle zu erreichen, muss die Energiewende beschleunigt werden – und nicht gebremst.
Mit einer Aussage hat Sigmar Gabriel zweifellos recht: Egal, wie er das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformiert, Kritik und Widerspruch wird es in jedem Fall geben. Schließlich gibt es im Energiesektor unzählige Interessen, die nicht alle gleichzeitig befriedigt werden können.
Wenn bayerische Bauern nun wegen des langsameren Biomasse-Ausbaus protestieren oder die Industrie ihre teilweise unberechtigten Privilegien komplett verteidigt, tut der Minister gut daran, sich darüber hinwegzusetzen.
Unrecht hat der SPD-Wirtschaftsminister allerdings mit seiner impliziten Schlussfolgerung, dass alle Kritiker seiner Pläne egoistische Einzelinteressen vertreten und er sie deswegen getrost ignorieren kann.
Wenn viele, auch SPD-regierte Bundesländer, nun fordern, auf den von Gabriel geplanten Deckel bei der Windkraft an Land zu verzichten, dann mag das auch aus Eigeninteresse geschehen. Zugleich ist damit aber auch der Energiewende als Ganzem gedient. Denn es ist eine Tatsache, dass Windräder an Land inzwischen die günstigste Form der sauberen Stromerzeugung sind. Wer eine möglichst preiswerte Energiewende will, darf Wind an Land nicht beschränken.
Gestoppt würde die Energiewende durch Gabriels Pläne im Gegensatz zur Befürchtung mancher Kritiker natürlich nicht. Aber sie würde vermutlich deutlich langsamer laufen, ohne günstiger zu werden. Aber um den beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft und die notwendige Verringerung der Kohle zu erreichen, muss die Energiewende beschleunigt werden, nicht gebremst.
Wenn die Länder dem Wirtschaftsminister diese simple Tatsache vermitteln können – und darauf deutet nach dem jüngsten Bund-Länder-Treffen einiges hin –, dann handeln sie nicht egoistisch, sondern erweisen uns allen einen wichtigen Dienst.
30 Jan 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Sigmar Gabriel will Obergrenzen für Solarkraft und Windenergie einführen. Den Ländern passt das nicht. Doch der Minister zeigt sich kompromissbereit.
Still und leise verabschieden sich die europäischen Krisenländer von der Energiewende. Sie werden zum Modell eines grandiosen Rückwärtstrends.
Ein neues Bündnis sieht kleine Ökostromprojekte wegen der Pläne der Bundesregierung vor dem Aus. Die Kosten für alle würden sogar steigen.
Episch lange Beiträge der Koalition, nervöses Erwidern der Opposition. Nur einmal zeigt Merkel sowas wie Emotion. Ein normaler Mittwoch im Bundestag.
Alle Welt entdeckt die Solarenergie, nur die Deutschen vergessen sie wieder. Das ist industriepolitisch so sinnvoll wie Ananas am Nordpol.
Ungewöhnliche Allianz: Die Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs fordern Änderungen bei der Energiewende. Sie haben Angst, abgehängt zu werden.