taz.de -- Volker-Schlöndorff-Film auf der Berlinale: Zündschnur am Louvre

1944, die Nazis wollen Paris zerstören. Ein Wehrmachts-General und ein schwedischer Generalskonsul ringen in „Diplomatie“ um die Stadt.
Bild: Nicht gesund, aber ungemein wichtig: General von Choltitz (Niels Arestrup).

Das Handwerk des Kinos lernte der deutsche Regisseur Volker Schlöndorff in Frankreich. Er war am Set von „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) dabei, längst ist diese Literaturverfilmung von Alain Resnais ein Klassiker. Wo steht Resnais heute? Er macht Theaterfilme, in denen der Maulwurf unterwegs ist. Und wo steht Schlöndorff heute? Er macht Theaterfilme, in denen kein Maulwurf unterwegs ist.

So in etwa ließe sich der Unterschied beschreiben, der sich in den über 50 Jahren herausgebildet hat, seit Schlöndorff in Paris zugange war. Bei der Berlinale ist er mit [1][//www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film_id=20143142#tab=filmStills:„Diplomatie“] in der Sektion Special vertreten. Es gibt sogar noch eine Parallele zu Resnais, der mit [2][//www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film_id=20146915#tab=video25:„Aimer, boire et chanter“] am [3][Wettbewerb teilnimmt]: In beiden Filmen gibt es eine große Rolle für André Dussollier.

Bei Schlöndorff hat er einen großen Auftritt als schwedischer Generalkonsul Raoul Nordling, der im historischen Moment, als die Alliierten 1944 Richtung Paris marschieren, eine Barbarei zu verhindern sucht. Die Deutschen, vier Jahre lang als Besatzer in der französischen Hauptstadt, wollen vor dem Rückzug noch die großen Monumente in Schutt und Asche legen. Am Louvre glimmt also sinnbildlich schon die Zündschnur. Nur der General Dietrich von Choltitz (Niels Arestrup) kann sie austreten. Dafür gibt es gute Gründe, die Nordling ihm nahezubringen versucht.

Ein Theaterstück von Cyril Gély bildet die Vorlage für „Diplomatie“. Wie es der Titel nahelegt, geht es dabei auch um eine bestimmte Distanz zu den jeweiligen Systemen, denen die beiden Figuren entstammen. Diplomaten sind flexibel und Funktionsträger mit beschränkter eigener Investition. Gerade mit diesem Verhältnis zwischen (Ohn-) Macht und Ethos spielt „Diplomatie“, und zwar in Form eines bisweilen philosophischen Dialogs über die menschliche Existenz und die allzu weitreichenden Folgen von Handlungen.

Das Geschehen ist auf eine Nacht zugespitzt, die angegriffene Gesundheit von Dietrich von Choltitz macht die Sache noch prekärer. Doch Nordling, den Dussollier mit seiner leicht schnarrenden Stimme als halben Mephistopheles, halben Beichtvater anlegt, holt maieutisch das Richtige aus Choltitz heraus – ein persönlicher Deal ist dabei hilfreich. Volker Schlöndorff fügt den Dialogen des Stücks die grundlegenden Facetten hinzu, die das Kino dem Theater voraushat. Also in erster Linie schöne morgendliche Außenaufnahmen von Paris.

Im Wesentlichen aber ist „Diplomatie“ lupenreines Buchstabenkino, ein Gefecht der Worte, in dem das historische Argument immer schon mehr als nur mitschwingt. Buchstabenkino war in gewisser Weise auch schon „Letztes Jahr in Marienbad“, und doch liegen intellektuelle Kosmologien zwischen Schlöndorff und Resnais, damals und heute.

14 Feb 2014

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