taz.de -- Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Schleich dich

Der Strand hätte eine Flaniermeile werden können. Doch Zäune versperren den Weg zum Wasser und nach Georgien. Besucher sollen in Sotschi bleiben.
Bild: Das Meer und die Polizei hinterm Zaun.

SOTSCHI taz | Die Planer der olympischen Parks haben einen Kardinalfehler begangen. Sie haben den Zugang zur Uferpromenade mit Zäunen versperrt. Man kommt von den Hallen nicht direkt an den Strand des Schwarzen Meeres.

Dieser Ort hätte zu einer wunderbaren olympischen Flaniermeile werden können, zu etwas Besonderem. Die Sonne scheint eh die ganze Zeit bei diesen Sommerspielen. Zur Mittagszeit ist es mal locker 25 Grad warm. Wenn man zu den Bergen des Kaukasus schaut, dann werden die Schneeflecken kleiner.

Von meinem Hotel aus kommt man ungehindert an den Strand. Er ist etwa 400 Meter weit weg. An diesem Morgen bewegt sich das Meer kaum, flach wie ein Spiegel liegt es da. Ein paar Enten dümpeln im Wasser. Dutzende Angelruten stecken in den groben Steinen des Strandes. Die Stimmung ist, man kann es nicht anders sagen, friedlich.

Ein paar Fetzen russischer Schlager sind zu hören. Untermalt wird das von einem Presslufthammer, der nicht immer den Rhythmus des Liedes trifft. Jogger sind unterwegs, ein paar Akkreditierte. Halbnackerte testen die Temperatur des Meeres.

Abchasien um die Ecke

Ich gehe Richtung Abchasien. Der Staat, den sich Russland 2008 im Krieg mit Georgien erkämpft hat, ist gleich um die Ecke. Ich gehe vielleicht fünf Minuten, dann stoße ich an einen Zaun, der wohl die Grenze markiert. Ein paar Angler sitzen zusammen und palavern. Sie wollen nicht fotografiert werden. „Schleich dich“, sagen sie, „geh nach Sotschi, da sind hübsche Mädels, hier kommst du eh nicht rüber nach Abchasien.“

Ein Mann mit zerfurchtem Gesicht, der sagt, er komme aus Suchumi, also aus Abchasien, erkennt mich sofort als Deutschen. „Berlin?“, fragt er zielsicher. Ich bin verblüfft. „Njet“, Fische hätten sie noch keine gefangen, „die sind alle noch da draußen“.

Mindestens genauso malerisch ist es an der fast komplett olympiafreien Strandpromenade von Sotschi-Adler. Nur am Anfang, wo der Fluss Msymta ins Meer mündet, hat man die Promenade mit moderner Zweckarchitektur verunstaltet, aber weiter hinten wird es russisch, zum Glück. An einem Schaschlik-Stand interessieren sich zwei Russen für uns.

Deutsche, aha. Sie hantieren mit ihren Smartphones. Einer präsentiert das Ergebnis ihrer Fummelei. „Für welch Sport krank“, steht dort. Wir müssen lachen. Die Russen wollen jetzt nichts mehr von uns wissen. „Wir sind Journalisten“, sagen wir versöhnlich. Aber da ist es schon zu spät. Wir haben sie wohl gekränkt.

17 Feb 2014

AUTOREN

Markus Völker

TAGS

Sotschi 2014
Georgien
Grenze
Sicherheit
Sotschi 2014
Nationalstolz
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014
Sotschi 2014

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Die Angst vor der Baustelle

Die Firma hat ihn unter Druck gesetzt. Er war angehalten, ja kein Foto von den unfertigen Arenen zu verschicken. Ein 25-jähriger Techniker erzählt.

Russlands erster Freizeitpark: In Putins Märchenland

Im Sommer soll in Sotschi ein Freizeitpark eröffnet werden. Das Projekt, das 270 Millionen Euro kostet, hat auch einen nationalen Bildungsauftrag.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Düstere Schulerfahrungen

Ist das Russisch eingerostet? Dann braucht man Wodka, der löst die Zunge. Dann kommen Vokabeln zu Vorschein, die man im Nirwana des Vergessens wähnte.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Nervensägen in lila

Sergej kommt aus Rostow am Don und ist einer der zahllosen Sicherheitsbeamten in Sotschi. Ein freundlicher Kerl – solange man mit ihm Cognac trinkt.

Republik Abchasien: Das Land im Nirgendwo

Ein paar Kilometer weg vom olympischen Kosmos liegt Abchasien. Es wird nur von vier Ländern weltweit anerkannt. Ein Reisebericht.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Abseits des Olympiapfads

Dem Wintersport zu entfliehen, ist auch in Sotschi ganz einfach. Ein Gespräche über Deutschkurse, den FC Bayern und eine Brieffreundschaft nach Dresden.

Titelverteidigerin im Riesenslalom: Partout keine Siegeskandidatin

Viktoria Rebensburg gewann Gold in Vancouver. Ob die 24-Jährige den Olympiasieg im Riesenslalom am Dienstag wiederholen kann, ist fraglich.

Kolumne Schwarz-Rot-Gold: Akuter Gedächtnisverlust

Innenminister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann sparen in Sotschi nicht mit Lob – aber umso mehr mit Kritik.

Sotschi 2014 – Shorttrack: Ein Sport wie Amphetamin

Keine Disziplin reißt das Publikum so mit wie Shorttrack. Jedes Rennen ist rasant und umkämpft. Mittendrin: die 15-jährige Anna Seidel.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Putin knipst die Sonne an

Blauer Himmel und anhaltender Sonnenschein – Sotschi präsentiert sich, wie der Präsident es versprach. Doch geht dabei alles mit rechten Dingen zu?

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Dankbar für die Sklavenarbeit

Die Jugend der Welt lässt sich vom IOC bereitwillig ausbeuten. Während die Volunteers hart schuften, sitzt der Verband auf seinen Millionen.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Zimmer frei, privat

„Bei mir werden Sie es gut haben!“, sagt dir Dame vor dem Bahnhof. Zwei Finger zeigt sie, für Deutsche zeigt sie drei: für ein Zimmer bei ihr für 63 Euro.

Kolumne Deutsch-Sowjetische Freundschaft: Im Gulag-Modus

Nach vier Tagen Sotschi ist er da, der Olympiakoller. Kein Wunder bei all den nervigen Kollegen, aufdringlichen Volunteers und vielen Sicherheitschecks.