taz.de -- Demokratie kann man lernen: Coup in der Handelskammer

Die Wirtschaftslobby hat künftig eine Opposition. Damit der Präses eine weitere Amtszeit bekommt, soll das Plenum schnell die Satzung ändern.
Bild: Melsheimer möchte gerne weitermachen.

HAMBURG taz | Im Plenum der Handelskammer gibt es in Zukunft eine Opposition. Doch bevor diese ihren Einfluss geltend machen kann, will das alte Präsidium noch schnell die Satzung ändern lassen, sodass der amtierende Präses Fritz Horst Melsheimer für eine dritte Amtszeit kandidieren kann.

Das zeige „die mangelnde demokratische Kultur, die in der Hamburger Handelskammer herrscht“, kritisiert Gregor Hackmack, der für das Reformbündnis „Die Kammer sind wir!“ ins neue Plenum gewählt worden ist.Die Handelskammer sieht sich selbst als „Sparringpartner des Senats“.

Der Dienstweg zu Senat und Bürgerschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes kurz – sie steht Rücken an Rücken zum Rathaus. Die Kammer vertritt zwangsweise alle Unternehmen, sofern sie nicht Mitglied in der Handwerkskammer sind: von den kleinen Betrieben der Kammerrebellen bis zu den großen Unternehmen wie der Hanse-Merkur-Versicherungsgruppe, der Melsheimer vorsteht.

Die Amtszeit endet - eigentlich

Dessen Amtszeit geht mit der laufenden Sitzungsperiode zu Ende. Weil es bereits seine zweite ist, dürfte er kein weiteres Mal kandidieren. Am Donnerstag hat das noch amtierende Präsidium vorgeschlagen, die Satzung zu ändern: „Rumpfamtszeiten“, also solche, die sich nicht über eine ganze Sitzungsperiode erstreckten, sollen nicht mitgezählt werden.

Damit könnte Melsheimer, der 2011 nach dem Wechsel des damaligen Präses Frank Horch in den Senat für neun Wochen eingesprungen war, noch einmal kandidieren. Melsheimer werde wegen der Aktivitäten zum 350-jährigen Kammerjubiläum gebraucht, und auch als Vertreter der norddeutschen Wirtschaft im Präsidium des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, argumentiert das Präsidium.

„Das Amt ist unglaublich zeitaufwendig“, sagt der dienstälteste Vizepräses Jens-Peter Breitengroß. „Ich bin heilfroh, dass wir Melsheimer überreden konnten, dass er weitermacht.“

Die Sonderregelung ist keine Sonderregelung

Bei der geplanten Satzungsänderung, über die voraussichtlich am Donnerstag abgestimmt werden soll, handele es sich keineswegs um ein „Lex Melsheimer“, sondern um eine Anpassung an den Geist der Satzung.

Der gebiete, dass ein Präses zwei Amtsperioden absolviere. Alles andere sei nicht vorgesehen. Zu finden ist das in der Satzung allerdings nicht und seit dem Krieg haben nur vier von 14 Präsides zwei Amtsperioden durchgehalten.

Undemokratisch findet Breitengroß die Satzungsänderung nicht. Damit Melsheimer gewählt werden könne, müsse noch das alte Plenum die Vorschriften ändern. Dem neuen Plenum sei es ja freigestellt, Melsheimer nicht zu wählen. Die Kritiker finden, er dürfe gar nicht antreten, weil er nicht direkt, sondern nur durch eine rechtlich fragwürdige „Zuwahl“ ins Plenum gekommen sei. „Er hat keine demokratische Legitimation“, sagt Hackmack.

28 Feb 2014

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Gernot Knödler

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