taz.de -- Neue Reihe im ZDF: Thrillerbaukasten zur Nacht

Das ZDF zeigt Abgründiges zur fortgeschrittenen Uhrzeit. „Der zweite Mann“ mit Max Riemelt ist ein würdiger Auftakt für die „Stunde des Bösen“.
Bild: Aus dem Licht am Ende des Tunnels kommt der Mann mit dem Messer.

Er ist „Der zweite Mann“. Genau so einen haben sie gebraucht. Sie – die zynischen Vertreter des Großkapitals, widerwärtige Zyniker allesamt, Fratzen einer korrumpierten, pervertierten Finanzwirtschaft. Seine Chefs und die Investmentbanker der CBSE. Der Prüfer prüft also deren Bücher.

Schnell stößt er auf geschäftliche Unregelmäßigkeiten, die unter den Teppich zu kehren alle von ihm erwarten – „Kassieren Sie Ihren Bonus und halten Sie die Schnauze!“. Die Blutflecken im Hotelzimmer, auf Dokumenten – was ist eigentlich mit seinem wie vom Erdboden verschwundenen Vorgänger passiert?

Das Gespenst des Kapitals geht um. Die Unternehmensberater unterscheiden sich von Wirtschaftsprüfern, weil sie ein Staatsexamen ablegen müssen. Und von den jungen Missionaren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in ihrem Glauben, aber nicht im Aussehen: schlecht geschnittene Anzüge in dunklen Farben, Umhängetasche aus schwarzem Nylon.

Zumindest haben sich Christopher Lenke und Philip Nauck (Buch und Regie) den jungen Wirtschaftsprüfer, der der Held in ihrem Film ist, so ausgedacht. Max Riemelt gibt Adrian Davids, einen verdrucksten Streber, der abends in der Hotelbar Cola mit Zitronenscheibe trinkt und die Nase in sein Tablet steckt, wenn sich eine schöne Frau neben ihn setzt.

Der Film passt gut zum angestammten Geisterstunden-Sendeplatz des kleinen Fernsehspiels. So hat die für die Nachwuchsregisseure und deren Förderung zuständige ZDF-Redaktion abgründiges Thriller-Handwerk in Auftrag gegeben und präsentiert nun viermal im März die „Stunde des Bösen“. Dabei haben sich nur drei der vier Regisseure an das ungewöhnliche Einstundenformat gehalten.

„Der zweite Mann“ ist kein schlechter Anfang für die „Stunde des Bösen“ im ZDF. Er könnte seine Zuschauer um den Schlaf bringen. Damit ist nicht allein die Sendezeit gemeint.

3 Mar 2014

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Jens Müller

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